Gekommen, um zu bleiben

Wuppertals neue Schauspielintendanz stellt Spielplan vor

von Martin Hagemeyer

Gekommen, um zu bleiben
Wuppertals neue Schauspielintendanz stellt Spielplan vor
 
Die Skepsis in der Luft, sie war mit Händen zu greifen, als am Freitag Susanne Abbrederis ihre erste Spielzeit als Intendantin des Wuppertaler Schauspiels präsentierte. Das Geschacher der Stadtspitze mit der forschen Leitung der Opernsparte ist gerade auch für das Sprechtheater eine schwere Hypothek. Viele der jetzt im Proberaum des Orchesters versammelten Förderer, Künstler, Journalisten hatten zweifellos die Vermutung im Kopf: Ist die im Tal unbekannte Siegerin vom Kandidaten-Poker 2013 nicht letztlich bloß angetreten, um den Mangel zu verwalten?
 
Der Spielplan ist unkontrovers. Als Klassiker wird Wuppertals Theaterfreunden Lessings Komödie „Minna von Barnhelm“ geboten (Premiere 22.11. 2014) – und geht wie alle Produktionen 2014/15 im neuen „Theater am Engelsgarten“ über die Bühne. Für die Gegenwartsdramatik steht die Romanadaption „Supergute Tage“ (7.2.2015) nach Mark Haddon, eine Geschichte um die „sonderbare Welt“ des Autisten Christopher Boone. Als „Backstage-Comedy“ empfiehlt sich „Mondlicht und Magnolien“ (30.5.2015) rund um die turbulente Entstehung des Kinofilms „Vom Winde verweht“. Eröffnet wird die Spielzeit übrigens am 27.9. musikalisch: mit Müllers und Schuberts „Die schöne Müllerin“ als inszeniertem Liederzyklus. Hinzu kommt „Der gestiefelte Kater“ (25.10.2014) als Familienstück und mit dem Gastspiel des Kinder- und Jugendtheaters „Die fürchterlichen Fünf“ (7.3.2015) ein weiteres Stück fürs junge Publikum. Zur Erinnerung an die Novemberpogrome wird unter anderem die Zeitzeugin Inge Deutschkron zu Gast sein (9.11.2015). Und Else Lasker-Schülers Werk „Die Wupper“ wiederum (28.3.2015) wird Stoff für das Format „Stadterkundung“, wie viele Stadttheater es heute betreiben.
Last, doch keinesfalls least: Denn für einen Programmpunkt wie diesen sind andere Motive besonders interessant.
 
„Die Stadt ist für uns neu“, formuliert nämlich die sichtlich um Optimismus und offene Ausstrahlung bemühte Neu-Intendantin noch vor dem Versprechen, auch das Publikum könne Wuppertal mit dem Stück der Dichterin vielleicht neu für sich entdecken. Und da scheint ein Knackpunkt berührt: Ob und wie ein noch fremdes Theaterteam sich mit seiner neuen Wirkungsstätte identifiziert, ist zwar eine Frage, die bei jedem Intendantenwechsel ansteht. Aber bei einem Theater in so prekärer Lage, dem mancher nicht ohne Grund nur noch schwärzeste Aussichten zubilligt, wird sie besonders wichtig. Aufmerksam hört man an diesem Vormittag daher Aussagen wie von Helene Vogel, die die „Minna“ inszeniert und außerdem Hausregisseurin wird, sie wolle sich „mit dem Ensemble entwickeln“. So klingt nicht, wer sich auf dem sinkenden Schiff wähnt.
Gemessen an den Umständen hoffnungsfroh stimmt so auch die Reihe „Visitenkarten 1-9“, die bei der Spielzeitvorstellung ums Haar noch vergessen worden wäre: Jede neue Schauspielerin, jeder Schauspieler werden über die Spielzeit verteilt ein eigenes Projekt gestalten – und zwar nach Gusto: Philippine Pachl bekennt sich in einem Horváth-Solo zu ihrem Lieblingsautor, Uwe Dreysel komponiert selbst und gibt seinen persönlichen Einstand mit einem Liederabend, und Konstantin Shklyar bringt mit Daniil Charms etwas absurdes Theater auf die Bühne am Engelsgarten.
 
Neun fest beschäftigte Mitglieder wird das Ensemble haben, mit Thomas Braus als einzigem Übernommenen – eines mehr als zuletzt (und keine Rede von reinem Gastbetrieb, was trotz des üblen Opern-Tabubruchs hoffentlich selbstverständlich bleibt). Das relativiert etwas die mancherorts wahrgenommene Untergangsstimmung; ebenso wie die Ankündigung, auf das Opernhaus verzichten werde das Schauspiel in der ersten Spielzeit zwar wie befürchtet, 2015/16 allerdings nicht mehr.
Erster Eindruck also: Dieses neue Team ist eine pragmatische Lösung – aber es ist gekommen, um zu bleiben. Ein Willkommen für sie und Hut ab vor Günter Völker, den Freunden und Förderern des Neubaus, aus deren Reihen heute auch Enttäuschung über teils mangelnden Respekt zu hören ist. An der Skepsis gegenüber der Stadtpolitik, durch die derart massives Engagement überhaupt erst nötig wurde, ändert das freilich nichts.

Weitere Inforemationen: www.wuppertaler-buehnen.de