Hörsturz als Kollateralschaden

Anne Haigis und Band in der Remscheider Klosterkirche

von Frank Becker

Hörsturz als Kollateralschaden
 
Klosterkirche:  Anne Haigis und Band
 
Remscheid-Lennep. Um ihre neue CD „homestory“ vorzustellen, war Anne Haigis, eine der dienstältesten deutschen Pop-Künstlerinnen, im März 2004 mit Band angereist, und viele, die mit der dynamischen Jazz-Rock-Blues-Folk-Ikone älter geworden sind, kamen in die Klosterkirche. Flankiert von Roman Metzler (Akkordeon/Trompete), Jörg Hamers (Bass) und Jens Filser (Gitarre) betrat die Frau mit der Angela-Davis-Frisur die durch 15 Kerzen in romantisches Licht getauchte Bühne. Was dann aber musikalisch auf das anheimelnde Ambiente und die marktschreierische Ansage in englischer Sprache (vom Band) folgte, war alles andere als das versprochene „unplugged“-Konzert.
 
Im krassen Gegensatz zu Ankündigung und Ausstattung brach über das Auditorium eine brutale akustische Dampfwalze herein. Schon im temporeichen Opener „Beautiful World“ kamen Zweifel daran auf, ob es wirklich so angenehm werden würde, mit der einst charismatischen Künstlerin auf einen musikalischen Trip zu gehen. Zwar zeigte die Band durchaus Qualitäten in einem an sich interessanten Crossover aus Rock, Rhythm `n´ Blues und Country mit Bottleneck und einem Schuß Cajun durch Metzners Akkordeon. Doch die enervierende Lautstärke, die hemmungslos elektronisch verstärkte Radaumaschine, die von Anne Haigis angeworfen wurde, machte aus dem möglichen Vergnügen eine von etlichen Zuhörern zu Recht bemängelte Qual. Ob in „Many Rivers“, „Shrink“ oder „No Man´s Land“, die Schmerzgrenze wurde auch nach der Pause und gegen jede Vernunft fahrlässig überschritten, Hörstürze als Kollateralschäden billigend in Kauf genommen. Über einen Einwurf aus dem Publikum ging Frau Haigis hinweg: „Wir machen hier doch Rock ´n´ Roll, das muß laut sein . Vielleicht seid ihr das ja auch nicht so gewohnt wie wir.“ Na herzlichen Dank!
 
Da kam dann langsam der Verdacht auf, daß es von der Qualität her vielleicht gar nicht für ein Konzert ohne elektronische Hilfe und Kühlschrank-große Boxen gereicht hätte. In „Indigo“ zerdröhnte der übersteuerte Baß den weichen, dezenten Klang der gestopften Trompete (das Schönste des Abends) gnadenlos. Die früher gelobte Stimme der Schwäbin kippte eins ums andere Mal, verlor die Artikulation, glitt in heiseres Schreien ab, das jeglichen Gesangstext unverständlich machte und verursachte körperliche Schmerzen. Da war nichts von dem einstigen Jazz, da war nur noch Lautstärke - elektrisch, wohlgemerkt. So kreischt auch Marianne Faithfull, wenn sie einen schlechten Tag hat. Den Schluß der akustischen  Gewaltattacke hörte sich der Rezensent „draußen vor der Tür“ an, da war es noch laut genug – aber immer noch nicht schön. Da gibt es von uns nur eins: den Musenblattschuß.