Für jeden etwas!

Schweizer Kulturnachrichten

von Max Christian Graeff

MC Graeff - Foto © Frank Becker
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Nachtfalter und Glaubenskrieger,
 
die Schule hat begonnen und da wollen ja die Kulturellen nicht hintanstehen und ihren Teil zu der vagen und – seien wir ehrlich – wohl selten vergeblicheren Hoffnung beitragen, daß die Welt, wie wir sie uns mal erträumten, noch eine Chance hat. Aber Hoffnung an sich ist ja nie vergeblich. Auf gehts also, in einen turbulent-ungewissen Nachsommer, in dem das erste symphonische Grossereignis bereits voll im Gange ist: Verschiedene Nachbarn hält es nicht mehr in den Liegestühlen; sie stürzten in die Garagen und werfen die Motoren an: Laubbläser benötigen ausführliche Belastungstests in naturgetreuen Simulationsräumen, bevor die ersten Blätter fallen. Das ist wichtig! Danach nützt es nämlich nichts mehr! Also ist es vernünftig und gut; außerdem muß der alte Sprit ja auch weg, bevor die neuen Märkte erobert werden. Sonst macht das ganze Schlachten keinen Sinn. Nehmen wir’s also sportlich und neumusikalisch.
            Letzten Samstag versprach mir Christov Rolla einen Auftritt mit Canaille du Jour in Wittenberg und ich dachte: Fein, da kann ich endlich ein paar neue Thesen anschlagen. Dann wars aber doch nur Hittenberg, also genau Lauf hinter Hittenberg bei Wald in der Nähe von Rüti im Hinterland von Rapperswil in der weiteren Agglomeration von Zürich. Aber was heisst „nur“? Ein zauberhafter Bauernhof mit Openair-Bühne auf einem alten Heuwagen, hausgewursteter Verpflegung, charmantesten Veranstaltern, einem knietief dynamischen Naturtanzboden und einigen Tanks voller Schwarzmarktalkohol. Was sich aus diesem gelungenen Saisonauftakt in steigender Detonationsdichte entwickeln wird, ist noch etwas unklar. Fest steht: Jede Menge monkey business in unruhiger Zeit. Gewidmet sei es allen Eifereren jeder Glaubensrichtung und Konzernreligion fern und nah, die es möglicherweise nach reiflicher Überlegung doch noch in Betracht ziehen können, Mitmenschen ein wenig weiterleben zu lassen.
    Als erstes blasen wir mal das Laub vor der eigenen Haustüre weg: Am kommenden Samstag feiert die Industriestrasse wieder das vermutlich schönste Strassenfest südöstlich des Luzerner Hauptbahnhofs. Das reich gefüllte Programm ist – wie es sich gehört – ein zeitlich ungefähres. Immerhin gibt’s Progosen:

 
Canaille du jour spielt um etwa 16.30 Uhr eine Stunde lang im Zelt des Quartiervereins an der ewl.
 
Am selben Tag, also am 23. 8. um 21 Uhr, spielen DIE MORLOCKS im Sommerbeiz-Garten des Treibhauses, um den regenreichsten Sommer seit Äonen endlich trockenzulegen.
Unser erstes Konzert seit dem traumatischen Silvesterfest im längst geschlossenen La Fourmi/Hotel Anker beruht auf den Umständen, daß unser Drummer Silvan endlich wieder aus Übersee zurückkam und Gitarrist Roger vorerst mit seiner Generalsanierung über den Berg ist. Er hat in den letzten Jahren an nichts gespart und sich in den letzten Jahren auf- und zumachen lassen, wo immer es geht – obenrum, untenrum, auf und zu, auf und zu. Man hat Gipskarton und Stahlplatten verbaut, Drainagen und Stausysteme, man legte Abflüsse und Zuleitungen, einen ganzen Baumarkt, und alles kam gut. Das wollen wir feiern! Der Newsletter von „Anton-Musik“ schrieb kürzlich über uns: „Die wohl erstaunlichste Band im interregionalen Universum …“ – Danke sehr! Das läßt uns kollektiv erröten. Gleich nach der Industriestraße also ab zum Treibhaus. Am selben Tag am selben Ort feiern die Spielleute Luzern ihr 800-jähriges Jubiläum, und natürlich spielen wir zugleich für sie: Stayin’ alive!

 
Was gibt’s sonst noch? Ach ja, das legendäre Meridiani an der Bruchstraße schließt Ende August seine Türen und verschenkt vorher noch eine Kulturwoche.
Am Dienstag, 26. August (20.30 Uhr), gibt die Kernbesetzung der LESEBÜHNE IN DER LOGE, André Schürmann, Christov Rolla und icke und eventuell ein Spezialgast, einen kleinen Vorgeschmack auf die dräuende neue LESEBÜHNEN-STAFFEL. Kurze Prosa, lange Lyrik, einige Lieder und sonst noch so Kram treffen auf einige wiedergefundene Restalkoholika aus den Bruchstrassen-Katakomben.
Das neubad im alten Hallenbad feiert am 6. September seinen ersten Geburtstag. Da Rolla und ich zwar schon über Alpenseen ruderten, aber noch nie mit Bademützen musizierten, wollen wir diese Gelegenheit (noch vor Erscheinen der tatsächlich kurz vor dem Abschluß stehenden Live-CD) unbedingt wahrnehmen und freuen uns sehr über die Einladung:
Oh là là –1 Jahr neubad. Gala-Abend. Essen ab 18 Uhr, Konzert ab 22 Uhr im grossen Becken.
Für die Teilnahme am Essen brauchts eine Anmeldung, die auf www.neubad.org getätigt werden kann.

 
Am Dienstag, 23. September um 20 Uhr startet dann schließlich die fünfte Staffel der LUZERNER LESEBÜHNE IN DER LOGE AM HELVETIAGÄRTLI. Ein Flyer wird noch folgen, im nächsten Rundmail (stöhn). Die Details stehen natürlich schon fest: Die Stammbesetzung besteht wie in der letzten Saison aus dem Logen-Verweser und Poeten André Schürmann, der Berner Autorin und Slammerin Sandra Künzi, Christov Rolla am Harmonium „Ernest“, meiner Wenigkeit am Moderatorenmikro und an den Kochplatten und jeweils einem exklusiven Gast. Zum Auftakt begrüssen wir die Dichterin Boni Joi aus New York!
  Kochplatten? Jaja, aber dazu später mehr. Vorweg sei über das neue kombinierte Format verraten: Unmittelbar vor der Leseshow wird auf der Bühne eine Stunde lang gebraten und gedünstet, zusammen mit dem Spezialgast, verfilmt von Roger Levy und vielfältig viral gestreut.
 
Am Samstag, 27. September spielen die MORLOCKS einen charmant gewalttätigen Abschluß des 3. PERLATON-Festivals im Perla-Moden in der legendären Zürcher Langstraße. Auch dieser Flyer folgt in der nächsten Post.
 
Am Donnerstag, 9. Oktober reist die Canaille dann wieder nach Wuppertal, ins SIMONZ am Arrenberg, um zu gucken, ob Iris Panknins wunderbare Veranstaltungsreihe uns auch ein zweites Mal aushält. Details folgen.
 
Und am 18. Oktober begleitet die Canaille den großen Gala-Slam des internationalen Spoken-words-Festivals woerdz im Luzerner Südpol. Details und Karten bereits jetzt auf www.woerdz.ch

Wie einige von Euch und Ihnen wissen, habe ich für all das eigentlich keine Zeit. Die Arbeit am Werkverzeichnis Hans Schärer ist auf eine lange und breite Zielgerade eingebogen und wird uns bis zur digitalen Veröffentlichung im März 2015 Tag und Nacht beschäftigen. Aus gegebenem Anlaß noch einmal der Aufruf an alle Kunstbesitzende: Wer Werke von Hans Schärer hat und sich noch nicht bei mir meldete, möge dies bitte alsbald tun! Auch für Indiskretionen über nachbarschaftlichen Kunstbesitz bin ich dankbar; alle Informationen werden natürlich vertraulichst behandelt.
 
Noch irgendwas vergessen? Egal – bis hierhin liest ja eh niemand … Dank für die Geduld und bis bald also, wenn wir dann alle noch leben. mcg