Die Gute Botschaft

Sinéad O’Connor: "Theology"

von Bernd Geisler

Folksongs vom Altar gefallen

Ich wünschte mir, ich könnte singen. Meine Stimme müßte nicht so schön sein wie die der Sinéad O’Connor; es reichte, könnten meine Stimmbänder zittrig den Ton halten. Dann würde ich mir meine Ovation Gitarre schnappen, ein paar Leute der Heilsarmee und des Christlichen Vereins Junger Menschen antriggern, und zusammen würden wir ein Lagerfeuer auf dem Felde anzünden, uns drum herum setzen, Stockwürstchen grillen, und ich würde singen. Alle Lieder der CD „Theology - Dublin Sessions“ von Sinéad O’Connor. Und dann würde ich Sinéad O’Connor ganz tief in die schönen dunklen Augen schauen und mit ihr zusammen „If You Had A Vineyard“ schmettern. Weil zwischen den berühmten drei Akkorden dieser wunderschön simple Moll-Akkord auf Stufe VI erscheint, den wir alle beim schmalzigen  Rock ’n Roll so lieben. Und dann wünschte ich mir, daß Sinéad endlich lange Haare hätte.

Aber weil ich nicht singen kann, muß Sinéad ihre religiösen Weisen zu Texten aus der Bibel und mit Schmachtstimme zu Wanderakkorden alleine singen. Und sie tut es mit einer büßerischen Inbrunst, daß jeder Heide auf die Knie fällt und an „Rivers of Babylon“ denkt (Hoffentlich nicht auch noch an Boney M.!). Manchmal flüstert Sinéad nur, um Abwechslung zu schaffen; aber es klingt trotzdem alles gleich wie durch Weihrauch geblasen - ohne Höhepunkte, aber durchweg niedlich und fromm.

Den absoluten Wahnsinns-Kontrapunkt zur spärlichen Begleitung der Akustikgitarre auf der ersten CD setzt Produzent Ron Tomlinson in den „London Sessions“ der zweiten CD. Nahezu dieselben Lieder der „Dublin Sessions“, aber jetzt mit Schlagzeug, Bass und allerlei Gezupfe, Gestreiche und Geflöte. Den Liedern tut das überhaupt nicht gut. Sie klingen wie vom Altar gefallen und durch den Opferstock gezogen. Vermutlich sollten die Songs unbedingt anders schallen - schließlich ist London ja nicht Dublin -, aber jetzt hüpfen und staksen sie wie zaudernde Krähen über einen kahlen Acker im Winternebel.

Und droben schwebt Sinéad O’Connors sakrosankte Stimme wie die gute Botschaft der Engel für die Hirten auf dem Felde. Und das ist sehr theologisch, und es paßt zu den Texten. Und deswegen heißt das Album „Theology“.
Beispielbild

Sinéad O'Connor
Theology

Doppel-CD

Sinéad O'Connor (Gesang, Gitarre)
Steve Cooney (Gitarre)
Gastmusiker auf „London Sessions“

(P) That’s Why There’s Chocolate And Vanilla/ Ministry of Sound Recordings Germany/ Edel
©  2007 Sinéad O’Connor

Titel:

Disk 1: Dublin Sessions
1. Something Beautiful  5:28
2. We People Who Are Darker Than Blue  3:56
3. Out Of The Depths  5:06
4. Dark I Am Yet Lovely   4:12
5. If You Had A Vineyard  6:18
Watcher Of Men  2:34
6. 33  2:33
7. The Glory Of Jah  3:32
8. Whomsoever Dwells  2:53
9. Rivers Of Babylon  3:38
10. Hosanna Filio David (Hidden Track)  0:44

Gesamtzeit: 40:55
Produzent: Steve Cooney

Disk 2: London Sessions
1. Something Beautiful  5:15
2. We People Who Are Darker Than Blue  4:24
3. Out Of The Depths  5:03
4. 33  2:43 
5. Dark I Am Yet Lovely  3:30
6. I Don't Know How To Love Him  4:14
7. If You Had A Vineyard  6:34  
8. The Glory Of Jah  4:55
9. Watcher Of Men  3:19
10. Whomsoever Dwells  5:34
11. Rivers Of Babylon  4:28

Gesamtzeit: 49:59
Produzent: Ron Tomlinson

Weitere Informationen unter:
www.sineadoconnor.com