Geophysik, Partikularismus  
            und Leidenschaftlichkeit 
            Konstanten der iberischen Geschichte Von Friederike Hagemeyer 
            Als die Katalanen am 9. November 2014 - symbolisch - über ihre Unabhängigkeit vom spanischen Mutterland abstimmten, hätte sich Michael Kohl vermutlich bestätigt gefühlt. 
            Seiner Auffassung nach sind es nämlich vor allem zentrifugale Tendenzen, die die politische Entwicklung auf der iberischen Halbinsel seit den Anfängen bestimmen. 
            In seinem Buch „Hispanien. Vom Tartessos-Mythos zum Arabersurm“, erschienen 2014 im Nünnerich-Asmus Verlag, arbeitet er noch zwei weitere die Geschichte der Halbinsel bestimmende Größen heraus, das ist einerseits die Landschaft, die durch hohe Gebirge zur regionalen Abschottung beiträgt aber auch über die offenen Küsten und weiten Flußtäler zu Zuwanderung und Durchzügen einlädt. Ganz entscheidend ist jedoch für Koch die Intensität und Leidenschaftlichkeit mit der regionale Eigenheiten und Unterschiede verfochten werden. „Tendenziell gemeinsam ist dem Land auf unerklärliche Weise die schon von Plinius (23[?] - 79 n.Chr.) beobachtete 'vehementia cordis', jener kämpferische Geist … zwischen Aufopferung und Intransigenz der in allen Regionen und zu allen historischen Zeiten … auffällig wird.“ (S. 167) Deshalb sind nach Michael Koch „die Versuche zu politischem, religiösem und kulturellem Unitarismus allesamt … früher oder später gescheitert.“ (S.166) Kochs Anliegen ist es, die Wurzeln dieses charakteristischen Phänomens im Rahmen der Antike aufzuspüren. 
            Summa lebenslanger Forschung 
            Mit seinem „Wunschbuch“ legt der Autor „eine Art summa lebenslanger wissenschaftlicher Beschäftigung“ (S.8) mit seinem Forschungsgegenstand vor. Wie  es sich für historische Fachbücher gehört, entwickelt Koch zunächst  seine Thesen, um anschließend Quellen und Literatur daraufhin  abzuklopfen. Mit der spanischen und portugiesischen Historiographie geht  er allerdings hart ins Gericht, wenn er von der „Unfähig- bzw.  Unwilligkeit weiter Teile der peninsularen Geschichtsforschung zu  tieferer quellenkritischer Reflexion“ ('S. 14) spricht. Ein  vernichtendes Urteil!
             
            Der  zeitliche Bogen ist weit gespannt und reicht von der Kupferzeit im  späten vierten Jahrtausend v. Chr. bis zum Jahr 711 n. Chr. als die  Araber unter Tariq ibn Ziyad das heutige Südspanien erobern. Koch  berichtet von den ersten griechischen Versuchen, an der iberischen  Mittelmeerküste Handelsniederlassungen zu gründen, es folgen phönizische  Siedlungen bis weit die Atlantikküste hinauf und schließlich  kolonialisiert Karthago weite Teile der iberischen Halbinsel, aus der es  Rohstoffe, vor allem Metalle, und Hilfstruppen bezieht. Nach dem  endgültigen Sieg Roms über die Konkurrentin im westlichen Mittelmeer  wird die Halbinsel zur römischen Provinz, bis im 5. Jahrhundert n.Chr.  von Norden her germanische Stämme ins Land einströmen und sich  festsetzen. Am Beginn des 6. Jahrhunderts n.Chr. entsteht hier das Reich  der Wisigoten (=Westgoten), das ca. 200 Jahre lang besteht, bis am  Beginn des achten Jahrhunderts die Mauren die Herrschaft im größten Teil  der Halbinsel übernehmen. Es sind übrigens diese Muslime, die die  iberischen Juden vor der Verfolgung durch die zum Katholizismus  konvertierten Wisigoten retten. Erst mit dem Fall der letzten maurischen  Bastion Granada 1492 setzen Verfolgung und Vertreibung der Juden wieder  ein. 
            Ein Buch für Fachleute 
            Michael Kohl macht in seinem Buch eine Region und eine Zeit zum Thema, über die wenig bekannt sein dürfte, auch Fachkollegen werden höchstwahrscheinlich einige neue Erkenntnisse darin finden. Für den sogenannten „interessierten Laien“ erweist sich das Buch jedoch nicht als genussvolle Lektüre, da sehr viele Fakten und gute Quellen- und Literaturkenntnisse vorausgesetzt werden. Auch trägt der - leider! - in der historischen Fachliteratur übliche hölzerne Stil mit teils langen verschachtelten Sätzen nicht gerade zum Lesevergnügen bei. Schade! Hier wurde eine Chance vertan, auch für Laien ein wirklich spannendes Thema zu einem spannenden Buch zu machen. 
            Michael Koch - „Hispanien“ Vom Tartessos-Mythos zum Arabersturm © 2014 Nünnerich-Asmus Verlag & Media, 176 Seiten, gebunden, 58 Abbildungen, 17,5 x 24,5 cm - ISBN 978-3-943904-73-4 
            24,90 € (D), sFr 35,50, 25,60 € (A) 
            Weitere Information: www.na-verlag.de/  
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