Männer brauchen Grenzen

Der verthorbte Mann

von Tina Teubner

© Tina Teubner
Der verthorbte Mann
 
Stellen Sie sich doch nur einmal vor, Sie sind frisch verheiratet, haben das Jahr davor in grenzdebiler Verliebtheit verbracht und befinden sich nun auf Hochzeitsreise. Der Mai zeigt sich von seiner besten Seite: überbordende Blütenpracht, lauthalsiges Vogelgezwitscher, blauer Himmel - alles im Lack.
   Eigentlich.
   Wäre nicht Ihr Mann dabei. Wie schön könnte eine Hochzeitsreise sein, wenn man sie alleine verbrächte. Leider ist das in unseren Breiten unüblich. Schade eigentlich. So sitzt der verthorbte Mann neben Ihnen und lamentiert. Von morgens bis abends und am liebsten dann, wenn es gerade schön ist. Den Frühling hat der liebe Gott nur angeschafft, um ihn mit Pollen und Gräsern zu quälen, ein Mückenstich hätte ihn beinahe dahingerafft, das Fleisch ist nicht durch, Italien überteuert, das Zimmer zu laut, das Meer zu kalt und der Südländer als solcher schlecht von Charakter.
   Außerdem sind zu viele Touristen da, die ihn wiederum an seinen Chef erinnern, Welcher ebenfalls schlecht von Charakter ist, genau wie sein Vermieter, der sehr schlecht von Charakter ist, weil er ihm eine dunkle Wohnung überteuert vermietet hat, eine fatal dunkle Wohnung mit híntenraußer Terrasse. Ein gemeiner, verheerender Vermieter also, genau wie sein Arzt, der ebenfalls sehr, sehr schlecht von Charakter ist, weil er sich weigert, ihm eine Kur zu verschreiben. Sicherlich steckt der charakterlose Arzt mit dem charakterlosen Chef und dem fatal charakterlosen Vermieter unter einer Decke, von den extrem charakterlosen Mitarbeitern ganz zu schweigen, jene charakterlose Meute, denen das Wort Solidarität ein Fremdwort ist, bla, bla, bla. Egal, was sie ihm raten, er wird ihnen vorrechnen, was Sie alles nicht bedacht haben, und wortreich erläutern, warum sein schlechtes Leben genau so sein muß, wie es ist: schlecht bis sehr schlecht nämlich. Im Übrigen regnet es in Italien ja ausschließlich, weil Sie mit ihrem charakterlosen Wäschetrockner so viele Wolken gemacht haben. Pfui Teufel! Schämen Sie sich!
   Mit klugen Worten kommen Sie nicht weiter. Sie werden auf Schaumstoff beißen. Auch hier ist eine einlullende Melodie, kombiniert mit klaren Handlungsanweisungen das Mittel der Wahl. Ich persönlich habe mich für einen schmeichelnden Walzer entschieden; Sie können es aber auch auf die Melodie von „Hoch auf dem gelben Wagen singen“.
   Da ich davon ausgehen muß, daß Sie nicht mehr wissen, wie Theodor Heuss geguckt hat, als er uns in Wirtschaftswunderzeiten mit diesem Lied tyrannisierte, reicht es auch aus, wie Angela Merkel dreinzublicken: Mundwinkel runter, Hände in Bauchnabelhöhe an den Fingerspitzen zusammenlegen und huhnartige Ruckbewegungen mit dem Kopf und 1-2-3-4:
 
Versuch es doch mal mit 'nem Selbstmordversuch!
Bei Frauen kommt Selbstmord gut an.
Denn nichts liebt die Frau so sehr wie den Mann,
den sie selbstlos mit Ratschlägen retten kann.
Dann kommst du in ein Krankenhaus,
und dort sind sie alle ganz lieb:
die eßgestörten Krankenschwestern
mit ihrem Helfertrieb.
 
Oder:
 
Versuch es doch mal mit Medikamentenmißbrauch!
Leih dir Geld für ein Gramm Heroin.
Schmeiß dir Schlaftabletten und Valium ins Müsli,
dann kannst du dem grausamen Alltag entfliehen.
Versuch es doch mal mit einem schizophrenen Schub,
der gibt dir einen Hauch von Esprit.
Denn einen Mann, der in mehreren Farben schillert,
Vergißt eine Frau gar nie.
 
   Machen Sie sich allerdings keine allzu großen Hoffnungen. Bei derart eingefahrenen Strukturen müssen manchmal fundamentale Veränderungen her. Ein Auslandsjahr beispielsweise. Ein freiwilliges soziales Jahr als Diktator. Möglicherweise sogar ein ganzes Jahrzehnt.
   Auch wenn Sie ihre Ehe als gescheitert betrachten müssen: Lassen Sie Thorben anstandshalber an dieser Schwelle zur Entscheidung nicht alleine; die wenigen ausgeschriebenen Stellen in diesem Metier sind rar, und für seinen Geha-Füller gibt es gemeinerweise keine Patronen mehr.
   Helfen sie ihm also. Stehen Sie ihm mit Sprachgewalt und Pelikan zur Seite, wenn er sich bei seiner Bewerbung abmüht:
 
Sehr geehrte Damen und Herren!
 
Mit Interesse habe ich Ihre Stellenausschreibung als Diktator gelesen, für die ich mich hiermit bewerbe. Für Ihr Amt bringe ich beste Voraussetzungen mit. Schon als Kind habe ich eine Ausbildung zum Oberarsch absolviert und Ausgrenzung ausschließlich mit körperlicher Gewalt erwidert. Diese Tendenz konnte ich bei meiner Frau und meinen Kindern erfolgreich fortsetzen. Von jeher familiär protestantisch beschnitten, würde ich mich auch in einem Erdloch zurechtfinden.
 
Mit verbindlichen Grüßen, hochachtungsvoll
… usw.
 
Hut ab. Thema erledigt. Thorben weg, neues Spiel neues Glück. Fläschchen auf, Kostümchen an, auf die Piste zwei, drei:
 
Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht,
wenn an der nächsten Ecke schon ein anderer steht?
 
 

© Tina Teubner
Weitere Informationen: www.lappan.de