Max Liebermann -
Maler und Gourmet Betrachtungen in vier Abteilungen
von Konrad Beikircher
2. Abteilung
Es ist wie immer: ist ein talentierter Esser da, finden sich auch Köchinnen oder Köche, die Spaß daran haben, für ihn zu zaubern. So eine Muse hatte Max Liebermann auch: sie hieß Julie Elias, war Gesellschaftskolumnistin, würde man heute sagen, und eine excellente Köchin. Sie hat ein paar Kochbücher geschrieben, z.B. 1922
„Brevier der feinen Küche“, heute noch lesenswert u.a. wegen des wundervollen Einbands, den Emil Orlik gestaltet hat oder „Der Besen des Magens. Käse und Käsegerichte“, 1931, eine kleine Köstlichkeit, die sich zu lesen lohnt (ganz abgesehen davon, daß man mit so einem Buch – antiquarisch immer noch erhältlichen, ich hab bei ZVAB nachgeguckt, 38 €! – bei jedem Gourmet und Bücherfreak ganz gewaltigen Eindruck machen kann!).
Julie Elias war eine Dame von Welt und sie war ein kleiner Guttenberg, wenn auch auf einem nicht ganz so sensiblen Bereich: sie hat recht kräftig von Escoffier abgeschrieben, aber wer hat das in der Zeit nicht. Und wo wir schon bei Escoffier sind, darf ich doch mal auf diesen großen Künstler ein bisschen hinweisen, denn: seinen Namen kennen alle, aber wissen Sie, was er alles in die Gänge gebracht hat?
Es ist ja nicht so, daß ein Koch nur dann in Erinnerung bleibt, wenn er heiße Luft mit Kalbsbriesnote von der Decke wehen oder Hering mit Pflaumengeschmack auf der Zunge explodieren läßt, es gibt ja in der Geschichte der Zunge auch ab und zu Köche, die wirklich eine jeweils neue Ära eingeleitet haben, also: Womit wir bei Auguste Escoffier wären, dem Kaiser der Köche, was übrigens auf unseren Wilhelm II. zurückgeht. 1913 wurde Escoffier nach Hamburg eingeladen, er sollte zur Taufe des Dampfers IMPERATOR kochen. Und weil der Dampfer so hieß, war auch Kaiser Willhelm Zwo eingeladen.
Das Ganze ging so los, daß das Volk Escoffier mit Hochrufen und Vivatjebrülls begrüßte – die Hamburger verwechselten ihn nämlich mit dem Grafen Zeppelin, der Escoffier sehr ähnlich sah. Vielleicht deshalb ließ sich der Kaiser den französischen Koch vorstellen, jedenfalls: die beiden unterhielten sich lange miteinander und im Laufe dieses Gesprächs tat seine Majestät den Ausdruck:
„Wir sind beide Kaiser: ich Kaiser aller Deutschen, Sie Kaiser aller Köche!“ – na ja, was so einem Hohenzollern halt so einfällt.
Derselbe Wilhelm hat ja auch bei der Eröffnung der Schwebebahn in Wuppertal, als man sich von Barmen, also Westfalen, Elberfeld, also dem Rheinland näherte, den legendären Satz zu seiner Frau gesagt:
„Auguste, setz den Hut auf, wir kommen in die Stadt!“
Auguste Escoffier – übrigens: sein Geburtshaus in Villeneuve-Loubet, das ist hinter Cagnes sur mer bei Nizza, ist ein Museum, der Besuch lohnt aber nicht wirklich, es sei denn, man will im Original die Bilder sehen, die man sowieso schon kennt, aber um die Ecke unten an der Straße kann man schön essen – er ist ein Koch, der das Kochen wirklich revolutioniert hat. Er hat den Spruch getätigt:
„Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks“ und hat genau das umgesetzt und gelebt. Er war Küchenchef der großen Hotels seiner Zeit: Ritz, Savoy, Carlton Hotel.
Bei der Eröffnung des Carlton in London präsentierte er eine Erfindung, die direkt um die Welt ging: für die große Primadonna Nellie Melba, die er sehr verehrte, trug er Peches à la Melba auf und zwar – er hatte sie als Elsa im Lohengrin gesehen und bewundert – in einem aus Eis gemeißelten Schwan. Die Primadonna war hingerissen und die Welt lag ab da beiden zu Füßen.
Es geht ganz einfach: die Pfirsiche in Vanilleläuterzucker pochieren (das ist der berühmte Trick dabei!), erkalten lassen, in einer Schale auf einer Lage Vanilleeis anrichten und mit Himbeerpüree überziehen – so formuliert es der Meister selbst.
Übrigens: seine Fraises Sarah Bernhardt zu Ehren der großen Schauspielerin sind auch sensationell, wenn auch etwas aufwendiger: Erdbeeren mit Curacao und feinem Cognac mazerieren (kalt ziehen lassen), auf einer Lage Ananas-Eis anrichten und mit Curacao-Schaumeis bedecken. Leckerst!
Er fing zwar auch – wie Carême – mit der Kunst des Verzierens an, widmete sich aber weniger der Architektur auf dem Tisch sondern den Wachsblumen. Sein Buch „Traité sur l’art de travailler les fleurs en cire“ 1886 war ein sensationeller Erfolg, seine Verzierungen der Sockel und Platten auf den Tafeln mit Wachsblumen war Tagesgespräch der Fachleute, er wurde zum Star der Art culinaire.
Er entwickelte sich aber rasch weiter, vom Erfinder feiner Kreationen zu dem Mann, der wie kein anderer den Weg in die Moderne freischaufelte.
Lesen Sie in der kommenden Woche an dieser Stelle
die dritte Abteilung von Konrad Beikirchers kulinarischen
Max Liebermann-Betrachtungen
Redaktion: Frank Becker |