Der Spott der kleinen Dinge

Freunde bleiben

von Lars von der Gönna

© Heiko Sakurai
Freunde bleiben
 
Neulich wollte jemand mein Freund sein. Ich war aus zwei Gründen überrascht. Erstens bin ich nicht der Typ, den man gern zum Freund hat. Zweitens sagte mir der Name nichts. Dann fiel es mir ein. Das war ein Mitschüler. 25 Jahre lebten wir in völliger sozialer Abgeschiedenheit voneinander; jetzt schickte er mir eine Mail und fragte, ob ich bei Facebook sein Freund sein wolle.
   Langsam kam die Erinnerung: Dieser Typ lachte über Mitschüler, wenn sie Antworten nicht wußten, die er selbst nicht kannte. Bei der Abiturfeier hängte er sein Sakko so über den Stuhl, daß die anderen das »Boss«-Etikett sahen.
   1992 sah ich ihn noch einmal in der Stadt. Er hatte ein Magazin in der Hand, mit dessen Hilfe man sich so einrichten kann, als würde man Geschmack haben. Angeblich ist er in der Wirtschaft – zusammen mit lauter Etikettenzeigern und fast von alleine gut Eingerichteten. Ich dachte, das muß ein herrliches Leben sein und löschte das Freundschaftsgesuch.
   Am Abend fiel mir ein, daß neue Freunde vielleicht besser sind als alte. Sie wissen nicht, daß man früher Angst vor Spinnen hatte und 1977 auf der Klassenfahrt nach Münster wegen akuten Maoam-Mißbrauchs in einen Rucksack brechen mußte.
  Ich vertiefte mich in Kontaktanzeigen, um Anschluß zu finden. Ich stieß auf eine »Designerfrau mit kleinen Fehlern«. Lachhaft! Wer sich Designerfrau nennt, hat nie nur kleine Fehler. Eine Frau habe ich außerdem schon. Die Freundschaftssuche war entmutigend.
   Ich sprach mit meiner Frau über mein Problem. Von ihr erfuhr ich, daß sie schon ewig bei Facebook sei und mir vor acht Monaten eine Freundschaftsanfrage geschickt habe. Ich fragte schuldbewußt, ob wir auch so Freunde bleiben könnten. Sie sagte kühl, die Anfrage sei reine Facebook-Routine gewesen.
     Falls das Ihr Herz rührt:
     Bitte nur seriöse Zuschriften!
 


© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.