Der treue Mann

von Tina Teubner

© Tina Teubner
Der treue Mann
 
Noch schlimmer aber als der untreue Mann kann der treue Mann sein. An dieser Stelle sei kritisch angemerkt, daß der liebe Gott sich beim Verteilen von Treue und Untreue offensichtlich geirrt hat: Leider sind immer genau die Männer treu, denen eine dezente Untreue zu einem Anflug von Sexappeal verhelfen würde. Der treue Mann ist da. Immer. So sehr er neben sich steht, steht er neben uns Frauen. Immer. Er verfolgt uns aufs Klo und steht in der Tür, wenn wir telefonieren. Er beschränkt seinen Sozialaustausch auf seine jeweilige Ehefrau und vernachlässigt alle anderen Freunde, die er sowieso nie hatte. Er findet uns schön. Immer. Egal, ob uns die Sonne die Haut verbrutzelt hat, egal, ob unsere Hosen hinterhältig eingelaufen sind, egal, ob wir bronchialerkrankt mit Zwiebelwickel und fettigen Haaren im Bett abhusten: Der treue Mann findet uns immer begehrenswert. Dies muß zu Spannungen führen.
    Was tun? Schreien? Anbrüllen? Kritik üben? Versuchen Sie es nur. Es wird nichts bringen. Der treue Mann wird umgehend Verständnis für Ihre Verstimmungen haben. Er wird sich dafür entschuldigen, daß er Sie schön fand und auf die verständliche Frage: „Dann findest du mich also nicht schön?“ mit: „Doch, natürlich finde ich dich schön“ antworten. Oder: „Wenn es dir wirklich wichtig ist, finde ich dich häßlich.“
    Was für eine Gemeinheit! Was für eine hinterhältige Provokation! Man muß nicht Therapeut sein um zu bestätigen, daß sich hier eine gewaltige Schieflage entwickelt hat.
 
WIE KOMMT DER MANN AUS SEINER TREUEFALLE?
 
    Gute Frage! Mein Vorschlag: Spiegeln Sie Ihren Mann. So genau wie möglich. Blicken Sie Ihren Mann bewundernd an. Verdrehen Sie die Augen vor Begeisterung, wenn er morgens unrasiert und grunzend aufwacht. Wenden Sie den Blick jetzt nicht ab. Halten Sie durch! Auch nachts. Schlafen Sie am besten gar nicht mehr. Starten Sie. Starren Sie ihn unablässig mit verliebten Kuhaugen an. Starren Sie ihn wach. Plappern Sie ihm unentwegt alles nach und laufen Sie ihm permanent hinterher. Ich kenne Paare, die zwei Tage lang hintereinander hergelaufen sind, in immer enger werdenden Kreisen um die Wohnzimmerlampe herum, und dabei 40.000 Mal denselben Satz wiederholt haben: „Selbstverständlich, mein Schatz. Ich liebe dich genau so, wie du bist.“
 
    Kurz, ehe sie zu einer amorphen Masse zu verschmelzen drohten, konnte der Mann sein Mißverhalten erkennen und den alles entscheidenden, eherettenden Satz sagen: „Ich glaube, ich gehe mal ein Bier trinken. Allein.“
 
    Wow! Welch eine Erkenntnis. Aber noch immer gilt es durchzuhalten. Machen Sie dem Mann seinen gewagten Ausflug so schmackhaft wie möglich. Kommen Sie um Gottes willen nicht auf die Idee, ihn zu begleiten - obwohl Sie gerade jetzt ein Bier dringend gebrauchen könnten. Nutzen Sie die Stunde des Alleinseins, um sich weiterhin äußerlich zu verunstalten. Lassen Sie sich gehen. Sorgen Sie dafür, daß Ihre Züge grimmig und unfreundlich wirken, Ihr Antlitz grausam. Sie mögen diese Aufforderung für übertrieben halten. Doch denken Sie beim Lesen dieser Zeilen immer daran, daß gerade der treue Mann ein besonders komplexer, schwieriger, nahezu therapieresistenter Fall ist. Halten Sie sich vor Augen, daß er diese Geradlinigkeit braucht. Sie retten damit Ihre Ehe.



© Tina Teubner


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