Warum sollen wir nicht froh sein... Christine Mielitz inszeniert eine mächtig entstaubte „Braut“
"Die verkaufte Braut" Komisches Singspiel in drei Akten Premiere in Dortmund am 15. Dezember 2007 Es gibt kaum einen Komponisten, der volksliedhafte Melodien je so prächtig in eine Oper eingebracht hat wie Bedrich Smetana. Bemerkenswert, daß er keine dieser scheinbar traditionellen Stücke aus dem tschechischen Volksliedgut übernahm, sondern wirklich alles selber komponierte. Das hat dazu geführt, daß „Die verkaufte Braut“ zu Recht auch als quasi „tschechische Nationaloper“ bezeichnet wird. Aufgrund der einfachen Handlungsstruktur und ihrer Nähe zum „Volksmusikantenstadel“ nimmt sie einen Dauerlieblingsplatz im Abo der Theatergemeinden und Volksbühnen ein, obwohl (ehrlich gesagt) das Stück eigentlich mit seinen unendlichen Textwiederholungen viel, viel zu lang ist. Wenn man den Text ökonomisiert, also alle Wiederholungen streicht, paßt er auf knappe vier Seiten. Nach dieser Methode könnte man Wagners „Ring“ allerdings auch schnell und leicht auf haushaltsübliche Operngröße schrumpfen. Nichtsdestotrotz ist bei Smetana die Gattungsbezeichnung „komische Oper“ durchaus mit Vorsicht zu genießen. Zwar ist es ein wirklich unverwüstliches Stück (selbst Karin Beier hat es nicht kaputt gekriegt!), aber doch keine nur melodieselige Tanz- und Musizieroper. Smetana teilt uns neben der Fröhlichkeit auch viel Ernstes über das Leben mit, was nicht direkt auf den ersten Blick erkenn- bzw. hörbar wird. Spagat gelungen Hier setzt die kluge Inszenierung von Christine Mielitz an. Glücklicherweise bringt sie uns eine kräftig „entstaubte Braut“ auf die Bühne des Dortmunder Musiktheaters. Indem sie die Geschichte nicht im 19. Jahrhundert (wer hätte das auch erwartet?) in einem böhmischen Dorf inszeniert, entbeint sie
Licht! Die tieferen Dimensionen des Stücks werden schon anfangs mit einer frappierenden Licht- und Schatten-Optik angedeutet, wo eine düstere, fast klaustrophobische Lichtregie, kongenial genau den Noten entsprechend, die Bühne vom beklemmend gefährlich anmutenden Dorf-Kollektiv zum fröhlichen Begegnungsplatz der Dorfgemeinschaft öffnet. Später verwandeln sich die vielen, sich ständig in Bewegung befindenden (Wohnraum und Mauer)-Elemente in schmale Gassen oder bedrohliche Raumteiler, gestalten wunderbar fließende Szenenübergänge und formen die diversen Bühnenräume wie von Geisterhand umschlossen. Die im Grunde stetig pastos wirkende weiche Lichtregie in ihrem türkisen pastellfarbenen Grundtenor mit abgezirkeltem Roteinschlag, auch auf den Bühnenelementen, beeindruckt auf nachhaltige Art und Weise. Und es ist neben dem mobilen Bühnenkonstrukt auch immer wieder diese fabelhafte Lichtregie, die auch über die Längen des Stücks spannungsvoll trägt. Bei Mielitz sind die Menschen stets lebensnah; es gibt keine Ikonen, keinen artifiziellen Rampengesang, keine albern winkenden Choristen oder emotionale Einheitsgestik. Das tut dem verstaubten Werk gut und wirkt geradezu beflügelnd auf die Solisten und die Chorgemeinschaft. Der von Grannville Walker bestens vorbereitete Chor singt prächtig und ist meistens auch passabel textverständlich. Zwar ist die Honolka-Übersetzung nicht gerade das Gelbe vom Ei, und es wäre natürlich wunderbar, das Stück einmal in der Originalsprache zu hören, allerdings würde ich bezweifeln, daß der Spaßfaktor beim allgemeinen Publikum dann noch besonders groß sein würde. Und dieses „Lachen nach Übertexten“ wird halt leider allzu oft zum realsatirischen Selbstläufer insbesondere, wenn die Technik schläft und die Einblendungen zu früh, zu spät oder gar nicht kommen. Hie passabel, da gar großartig Schön, daß der Vorhang bei der schwierig zu spielenden Ouvertüre geschlossen blieb. Dies ließ die alleinige, unabgelenkte Konzentration auf das Spiel der Dortmunder Philharmoniker unter Simon Rekers zu, die nicht unbedingt bravourös, aber doch konzentriert und passabel ans Werk gingen. Die Holzbläser-Kantilenen könnten sensibler klingen, und ich wünschte mir etwas mehr Kontrastreichtum, Differenzierung und rhythmische Vitalität. Manches klang zu dünnflüssig. Große Orchesterleitung
Peggy Steiner ist eine bezaubernd wandlungsfähige „Marie“. Ihr gelingt der schwierige Spannungsbogen vom anfangs in Koketterie und Leidenschaft übersprühenden Mädel zur später warm leuchtenden dramatischen Innerlichkeit der enttäuschten Frau ganz bravourös. So setzt sie alle Seelenzustände bewundernswert in Musik um, ohne dabei jemals allzu plakativ und outriert zu wirken. Eine temperamentvoll präsente, in jeder Nuance überzeugende Sänger-Darstellerin mit viel Entwicklungspotential. Der Star ist Akzeybek Doch der Star des Abends ist für mich Tansel Akzeybek in seinem rührenden Rollenportrait als überaus sympathischer „Wenzel“. Von der Regie als ein Traum aller Jungmädchen gezeichnet; hübsches lockiges Haar, sportliche Erscheinung mit gewinnendem Lachen und dazu noch adrett gekleidet, erscheint er als ein spitzbübisch charmanter Eulenspiegel. Ein liebenswert naiver Softie zum Knuddeln. Seine Traurigkeit ist schließlich so überzeugend, daß etliche Damen im Parkett
Erwähnenswert noch der Zirkusdirektor Hannes Brock und seine prächtige Artistentruppe; vom Feuerschlucker über die Muskel-Nanny bis hin zur Boden- und Hochseilartistik bot man eine bunte, überzeugende Truppe auf. Weitere Informationen unter : www.theaterdo.de |