Weyhers Jubiläum

Lobgesänge

von Erwin Grosche

Familie Weyher - Foto © Harald Morsch

Weyhers Jubiläum


Der Apfelkuchen
 
O du Weyhers Apfelkuchen. Du Freund der Traurigen. Wer dich gegessen hat, erinnert sich an das Paradies. Gilt nicht der Apfel als die verbotene
 
Weyhers Apfelkuchen - Foto © Harald Morsch
Frucht, der wir unsere Vertreibung aus dem Paradies verdanken? So muß auch Kuchenessen sein. Ein schmaler Grat zwischen Erfüllung und Bestrafung. Eine Versuchung und eine Herausforderung, der wir uns stellen dürfen. Ein Spiel mit unseren niedrigen Gelüsten, ein kontrolliertes Abgleiten in die Unvernunft. Manche essen vorher eine Waffel, um diesem Erlebnis nicht ganz unvorbereitet gegenübertreten zu müssen. Machen wir uns nichts vor. Nur starke Menschen sind dem Apfelkuchen von Weyher gewachsen. Sein Genuß verändert. Ich kenne Männer, die verließen wegen diesem Apfelkuchen ihre Ehefrauen. Andere verfielen dem Schlendrian und konnten nur noch als Beamte glänzen. Der Apfelkuchen läßt die Vernunft ermatten und uns an das Glück erinnern, das wir eingetauscht haben gegen soziale Sicherheit und finanzielle Unabhängigkeit. O du Weyhers Apfelkuchen. Du bist ein Trost an einem Regentag. Du bist ein Bote des Himmels, der uns in unserem Leid Trost spenden will. Wer dich genossen hat (grade mit Schlagsahne), will ein besserer Mensch werden. Wie soll man sonst das Zurückgeworfenwerden in eine kalte Welt ertragen? Das Kuchenbackrezept ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Branche. Es liegt, rund um die Uhr bewacht, in einem der neuen Sicherheitssafes der Sparkasse am Maspernplatz, genau neben der Rezeptur von Coca Cola. Weyhers Apfelkuchenrezept sollte von der UNESCO endlich durch die Anerkennung als Weltkulturerbe geschützt werden. O du Weyhers Apfelkuchen. Danke. Für alles.
 
Die Bratkartoffel
 
Die Bratkartoffelgesellschaft ist ein Treffen von Gleichgesinnten. Sie ist offen für Gäste, die sich anpassen können. Wer die Zwiebeln und den

Frau Weyhers Bratkartoffeln - Foto © Harald Morsch
Speck kennt, weiß, daß sie sich unterordnen können.  Wir wollen hier nicht vom Spiegelei oder einem Würstchen sprechen. Die legen sich oft ins gemachte Bett und sonnen sich neben der Beilage als scheinbare Hauptmahlzeit. Dreimal gelacht, oder? Die eigentlichen Stars in Weyhers Fettnäpfchen sind die Bratkartoffeln. Seit den Siebziger Jahren gehören sie zum festen Bestandteil der Speisekarte. Eine vegetarische Sensation, die im Spiel um eine schmackhafte Kruste bis an ihre Grenzen gehen muß. Was dann bei Tisch in einer schlichten Schüssel serviert wird, ist das Ergebnis von Testreihen, die in geheimen Sensorik-Laboren den Geschmacksnerven der Bratkartoffelgourmets auf die Spur gekommen sind. Viele Bedürfnisse, die zur Bratkartoffel greifen lassen, kennt Herr Weyher. Mit den richtigen Bratkartoffeln ist man Teil der Community oder grenzt sich bewusst ab. Jedes neue Lebensgefühl muß bedient werden, möglichst bevor der Konkurrent es entdeckt. „Die Trends wechseln immer schneller“, sagt Herr Weyher, „aber die Bratkartoffeln meiner Frau bleiben ein Dauerbrenner.“ Weyhers Bratkartoffelköche müssen sich heutzutage darauf einstellen, daß der Soester eine andere Vorstellung von einer „richtigen Kartoffel“ hat als der Weweraner. Je nach Ortschaft variieren manchmal die Vorlieben. Im lippischen  Raum muß das Kartoffelgericht einen Hauch süß sein. „Die Vorliebe für das Süße gehört dort gewissermaßen zur Volksseele“, lacht Herr Weyher. Dörenhagener bevorzugen dagegen einen herzhaften und knusprigen Kartoffelmantel, Scharmeder essen die Kartoffel fast roh. Herr Weyher bleibt locker, denn auf eine Kartoffel ist Verlaß. Der Kenner ißt sie, wie sie bei Weyhers seit 50 Jahren gebraten werden. Eines ist sicher. Die Welt verändert sich, nur nicht die Wartezeiten vor den Schranken am Bahnübergang Rosentor und Weyhers Bratkartoffelgerichte. Danke Herr Weyher.
 
Der Kondomautomat
 
Bei Weyhers schaut man in die Zukunft. Familienfreundliche Wildgehege und interessante Spielgeräte verwöhnen auch den anspruchsvollen

Weyhers Kondomautomat - Foto © Harald Morsch
Besucher. So gibt es inzwischen auch Speisen und Getränke, deren Namen man kaum aussprechen kann. Manchmal kommen sie auch aus Bayern. Natürlich kann man sich im Gasthof Weyher auch einen Latte Macchiato bestellen oder mit einem Cappuccino angeben, obwohl viele Kunden nach wie vor dem Haxtergrundkaffee die Treue halten oder einen Muckefuck ordern. Seit einigen Jahren erinnert sogar ein Kondomautomat auf der Herrentoilette an die Zukunft. Der Kondomautomat wurde 1919 in Deutschland erstmals von Julius Fromm, dem Erfinder der nahtlosen Kondome aufgestellt. Weyhers zogen 90 Jahre später nach. Man darf nämlich nicht vergessen, daß viele Speisen von Weyhers, wie der Delbrücker Spargel, der westfälische Pfefferpotthast (mit Rote Bete) oder der Grünkohl mit lippischer Kohlwurst  als Aphrodisiakum zur Belebung der Libido anregen können. Natürlich ist der Gasthof auch ein Platz für Kommunikation und Lebensfreude. Hier wird gegrillt und gefeiert. Feingeister und Hallodris treffen sich hier zum Tanz der Glühwürmchen. Da ist es nur folgerichtig, wenn ein Kondomautomat den richtigen Umgang der Menschen untereinander regelt. Ob der allgemeine Geburtenrückgang mit dem Aufstellen dieses Kondomautomaten in Verbindung zu bringen ist, bleibt fraglich, kann aber nicht ganz ausgeschlossen werden, doch Johann Wolfgang von Goethe bringt es, wie so oft, auf den Punkt. „Der eine wartet, daß die Zeit sich wandelt. Der andere packt sie kräftig an - und handelt.“ Es ist beruhigend zu wissen, daß sich die Familie Weyher so umsichtig um das Wohl ihrer Gäste kümmert. Ein Kondomautomat ist ein schöner Blickfang und das richtige Signal an die nicht wegzudenkende Zukunft. 
 
 
© 2015 Erwin Grosche