Küchenbekenntnisse

„Les 7 doigts de la main“ präsentierte Bühnen- und Kochkunst beim „Düsseldorf-Festival“

von Andreas Rehnolt

Foto © 7fingers_cuisines_et_confessions

„Küchenbekenntnisse“
 
Die kanadische Artistik-Tanz-Kochtruppe „Les 7 doigts de la main“
präsentierte an vier Abenden Bühnen- und Kochkunst
beim „Düsseldorf-Festival“
 
 
Daß viele Köche mitnichten den Brei verderben müssen, hat beim derzeit laufenden „Düsseldorf-Festival“ die kanadische Artistik-Tanz-Kochtruppe „Les 7 dogts de la main“ mit Bravour bewiesen. Gleich an den ersten 4 Tagen des bis zum 27. September dauernden Festivals präsentierten die acht wunderbaren Artisten als Deutschlandpremiere das Stück „Life happens in the kitchen“ (Das Leben spielt in der Küche). Und wie es spielte auf der riesigen Bühne im Theaterzelt am Burgplatz der NRW-Landeshauptstadt.
 
Die Bühne ist eine mindestens vier Meter hohe Küche mit vollgestellten Regalen, Spültüchern, Kühlschrank, Backofen und Herd mit sämtlichen Utensilien. Da wird mit Schneebesen jongliert, daß es eine Freude ist, da turnt eine der beiden Damen in luftiger Höhe den Strapaten, da sausen, klettern und rutschen die kochenden Artisten vom chinesischen Mast. Einer der Akteure erzählt, daß er als Kind immer den Abwasch machen mußte, weil seine Mutter ihm eingetrichtert hatte: „Wer kocht muß niemals spülen und abtrocknen“. Umso mehr genieße er als Erwachsener nun die Chance, am Herd zu stehen und andere den Abwasch machen zu lassen.
Eine junge Frau erzählt vom immer gleichen Menu ihrer französischen Kindheitsfamilie, ein anderer Artist schwärmt davon, daß sie früher in der Familie immer nur dann miteinander gesprochen hatten, wenn sie um den runden Esstisch herum saßen. Zwischendurch werden Kräuter gehackt, Zwiebeln angeschwitzt, Tomaten geviertelt und Bananen geschält und klein geschnitten. Noch bevor das Omelett für eine Zuschauerin aus duftend aus der Pfanne auf einem Teller landet, erzählt einer der Truppe, wie er früher jeden Morgen ein frisches Ei aus dem Hühnerstall geholt hat.
 
Dann wird ein Song gesungen. Nicht irgendeiner. Da werden die Namen von Lebensmitteln und Gerichten aneinandergereiht. Sehr bekömmliche Gesangseinlage. Ein anderer der Artisten rattert im Schnelldurchgang seine italienischen Lieblingsspeisen herunter. Kurz darauf springen die ungemein gelenkigen Akteure durch winzige, rechteckige Rahmen. Ein Stürzen, Fallen, Wälzen, Fliegen und Hechten auf der Bühne, daß es nur so eine Freude ist. Zwischendurch werden Eier geworfen, Kuchenteil wird angerührt und Nudeln in einen riesigen Topf mit kochendem Wasser geworfen.
Zwischendurch wird eine der zahllosen TV-Verkaufssendungen für Küchenutensilien auf die Schippe genommen. Einer verkleidet sich im Verlauf dieser Szene mit Käsehobel, Gemüseraspler, Kochlöffel und Topfdeckel als eine Art Don Quichote und verhindert die Entführung einer Schönen. Bodenakrobatik und Paar-Tänze nach einer kurzen Pause. Dann erzählt einer der Akteure von seinem Vater, der als Kommunist in Italien verhaftet und umgebracht wurde, als er selbst noch ein Junge war. Auch diese Szene verbinden die Artisten mit der Küche. Was hat er wohl am letzten Abend seines Lebens gegessen und wo und mit wem war dieses letzte Mahl?
 
Ganz am Ende dann wälzen sich drei der Tanzakrobaten am Boden im Mehl. Sie zeichnen etwas auf den Boden, lassen es Mehl regnen, pusten weiße Wolken und räkeln sich um- und übereinander. Eine ganz neue Variante einer Mehl-Schwitze, denkt sich der Rezensent, der wie alle anderen Zuschauer im großen Zelt nicht genug bekommen kann von diesen Erzählungen und Erinnerungen sowie dem Geschmack eigener Lieblingsspeisen aus alten Kindheitstage, der plötzlich wieder auf der Zunge liegt.
Als dann nach gut zwei Stunden der Abend zu Ende geht und man glaubt, die Artisten würden sich am Küchentisch versammeln, um den Bananenkuchen und die Nudeln zu verspeisen, geht es noch weiter. Jeder der will kriegt ein Ministückchen vom Kuchen und einen kleinen Teller Pasta mit frischem Gemüse. Köstlich, komisch, kulinarisch. Auf dem Nachhauseweg überlegt der Rezensent, welche der gesehenen Kunststücke sich auch in seiner kleinen Wohnküche zu Hause nachmachen ließen. Und entscheidet sich für den Auftritt mit Käsehobel und Gemüseraspler als Hommage an Miguel Cervantes, den Vater von Don Quichote dessen Todestag sich im kommenden Jahr zum 400. Mal jährt.