Kunst der Innenschau Im Alter von zwölf Jahren wurde Arthur Kellerlicht von seiner jüdischen Familie in ein katholisches Internat Frankreichs in Sicherheit gebracht, als dann die Deutschen das Land besetzten, bei einem Bauern versteckt. Er überlebte. Im September 1944 wird das Land befreit und er kehrt ins Internat zurück. Die Jahre zuvor waren ein Albtraum, denn der Junge fürchtete jederzeit, entdeckt und deportiert zu werden. Doch der Albtraum endet nun nicht. Unablässig macht er sich Vorwürfe, überlebt zu haben, sehnt Strafe herbei. „Seit der Befreiung hatte er sich seines Lebens wollüstig geschämt“, und so genießt er mit derselben Wollust, für seine Vergehen im Internat gezüchtigt zu werden. In „Die Befreiung“, dem letzten Teil einer Trilogie, erzählt Goldschmidt anhand des Alter Egos Kellerlicht, sein Schicksal, läßt diesen dem eigenen Leben zuschauen. „Er schüttelte sich vor Selbstekel, wie er da auf seiner Selbstbühne stand.“ Was den autobiographischen Bericht über die Jahre der Besatzung und der Befreiung erst zu einem ergreifenden Roman macht, ist die schonungslose Selbstbezichtigung in Form einer Suada, vor allem aber die sprachlich elegante und zugleich schamvolle Kunst der Innenschau. Was so oft jüdischer Selbsthaß genannt wird, ist hier nicht nur der Haß eines jungen Mannes auf sich, da er im Gegensatz zu so vielen anderen überlebt hat, sondern er entpuppt sich als eine mentale Disposition, so daß er „am liebsten selber Treppe gewesen wäre, zum Drauftreten.“
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Georges Arthur Goldschmidt Roman © 2007 Ammann Verlag Zürich 205 Seiten, geb. Weitere Informationen unter: www.ammann.ch |