Wer nimmt die Oma?

Eine literarische Weihnachts-Revue von Hans Scheibner

von Frank Becker

© Hans Scheibner
Wer nimmt die Oma?
 
Vermeintliche Komödie entpuppte sich
als Lesung mit Musik und Sketchen
 
Wer gestern Abend ins Remscheider Teo Otto Theater gegangen war, um eine Weihnachts-Komödie zu sehen, wurde doch ziemlich enttäuscht. Aber so ganz schlimm war das am Ende nicht, immerhin servierte Alt-Kabarettist und Autor Hans Scheibner, der mittlerweile 79 Lenze zählt, aber immer noch ein pointenreicher Erzähler ist, einen unterhaltsamen bunten Abend mit einigen kleinen Couplets, der Lesung von etlichen Kapiteln seines neuen Buchs und verschiedenen amüsanten Ehepaar-Dialogen (Hermann und Hermine) mit seiner tatsächlichen Ehefrau, der bekannten Schauspielerin Petra Milchert-Scheibner. Am Flügel begleitete Berry Sarluis. Sogar ein ganz klein wenig politisches Kabarett mischte Scheibner, etwas zu bemüht auf der Gutmenschen-Welle schwimmend, ins Programm. Daß er die ISIS-Verbrecher im Vergleich mit Herodes mit den Taliban verwechselt, muß man ihm nachsehen.
Als wachsamer Beobachter des Vorweihnachts-Alltags und amüsanter feuilletonistischer Autor zeigte er sich hingegen in allerbester Form, ob es um den Weihnachts-Stress ging, vor dem sein Kumpel aus dem eigenen Heim in den Stress des Freundes flieht, um den „Paföng-Kauf“ für die Gattin, den Sinn des Schenkens an sich oder augenzwinkernd die kunstvolle Weihnachtsbaum-Korrektur. Scharfsinnig dröselt Scheibner in einer „Hänsel und Gretel“-Parodie frei nach den Brüdern Grimm Patchwork-Familien, Gender-Probleme, Fast Food-Fragen und GPS im Hexenwald auf. Viele fühlten sich ganz besonders bei seiner Geschichte von Mutters Grünkohl (er muß Frost gehabt haben!) zu Hause – denn ist nicht für jeden Mutters Küche das Maß aller Dinge?
Bewegend und berührend erzählt Hans Scheibner, offenbar aus der eigenen Kindheit, eine Begebenheit aus dem Kriegsweihnachten 1941 (er war damals fünf Jahre alt): ein Junge muß das eben geschenkte Spielzeug wieder hergeben, weil es auf Wunsch der Mutter für ihn unter der Hand von einem russischen Zwangsarbeiter im Tausch gegen ein Brot gebastelt worden war. Eine solche „Fraternisation“ war bei den Nazis von schweren Strafen bedroht, die Mutter stand schon mit einem Bein im Gestapo-Gefängnis, während der Vater an der Front war. Das Kind begreift beim Erscheinen der Schergen plötzlich die Gefahr und rettet die Mutter. Das geht an die Nieren.
Alles in allem, wenn auch anders als erwartet, doch noch ein auch besinnlicher Abend von einigem Rang.
 
Mit: Hans Scheibner (Texte, Vortrag) - Petra Milchert-Scheibner (Vortrag) und am Flügel: Berry Sarluis
 
Weitere Informationen: www.hansscheibner.de