Schrecklich langweilig

„By The Sea“ von Angeline Jolie

von Renate Wagner

By The Sea
(USA 2015)
 
Drehbuch und Regie: Angelina Jolie
Mit: Brad Pitt, Angelina Jolie, Mélanie Laurent, Melvil Poupaud, Niels Arestrup, Richard Bohringer u.a.
 
Es ist ja wunderbar, wenn Schauspieler nicht nur als leere Gesichter vor der Kamera stehen, sondern selbst etwas im Kopf haben, kreativ sind, eigene Projekte verfolgen. Viele von ihnen (von Eastwood bis Redford, von Foster bis Streisand) haben es erfolgreich getan.
Angelina Jolie (sie ist schon so lange im Geschäft, daß man kaum glaubt, daß sie erst 40 ist), hat ihre Regie- und Drehbuch-Ambitionen schon gezeigt. „In the Land of Blood and Honey“, im Balkankrieg spielend, hat sie geschrieben und inszeniert, „Unbroken“, die Geschichte einer heroisch überstandenen Kriegsgefangenschaft, nach fremdem Drehbuch auf die Leinwand gebracht. Nun kommt sie mit einem Projekt, das sich geradezu übertrieben aufplustert, aber vermutlich relativ billig herzustellen war: Südfrankreich (angeblich, gedreht allerdings, wie man hört, in Malta), ein kleines Dorf, ein Hotel, eine Kneipe, mehr braucht es nicht als Schauplätze. Dazu als Hauptdarsteller das „Brangelina“-Paar und vier durchaus hochwertige Nebendarsteller.
 
Und ein Drehbuch, das von europäischem Kunstkino abgekupfert ist, umso peinlicher, weil man dem Vorbild nie auch nur in die Nähe kommt. Eine Ehetragödie, die interessieren soll, aber in und an ihrer Künstlichkeit scheitert. Und ein wenig auch an der Hauptdarstellerin, die nicht nur als Regisseurin ungeschickt ist, sondern auch vergessen hat, sich selbst eine Rolle zu schreiben, die man nachvollziehen kann.
Irgendwann in den nostalgischen siebziger Jahren, als man noch auf Schreibmaschinen schrieb und Handys noch nicht gedacht waren, fährt ein Paar in einem (und heute rührend altmodisch anmutenden) Cabrio in einer kleinen französischen Küstenstadt ein. Nimmt ein sehr elegantes Appartement mit Meerblick in einem Hotel, von dem man weiter nichts sieht außer der Fassade. Die Handlung spielt sich im Zimmer, selten am Balkon, und im übrigen im Café/Bistro des Ortes ab.
 
Dorthin verzieht sich der Mann, seines Zeichens offenbar Schriftsteller, ebenso offenbar an Schreibblockade leidend, täglich mit einem Notizbuch. Dort sitzt, offenbar zur Demonstration der „Atmosphäre“, immer derselbe alte Mann, der Hotelbesitzer, an einem Tisch (Richard Bohringer). Und der ältliche Chef des kleinen Allzweck-Treffpunkts (Niels Arestrup) wird zum Gesprächspartner, die Männer erklären einander diskret, wie unglücklich sie eigentlich sind. Sie tun es übrigens auf Französisch, was völlig unnötig ist, denn jeder (zumal der auch nicht französische Bistro-Besitzer) würde mit dem Amerikaner Englisch sprechen, aber Regisseurin Jolie wollte es so (und Brad Pitt hat diesen sprachlichen Teil einigermaßen souverän hingekriegt). Untereinander „daheim“ spricht das Paar natürlich Englisch.
Daheim ist das Hotelzimmer, denn die Dame rührt sich kaum hinaus. (Wenn, dann kleidet sie sich elegant und mit Hüten, modisch eine schöne Mischung aus Grace Kelly und Audrey Hepburn.) Sie umgibt sich mit einer Aura des Vorwurfs, ist teils abweisend, teils geradezu feindselig dem Gatten gegenüber. Daß man später erfährt, sie sei – „ich wurde zu alt“ – nicht mehr Tänzerin und habe Kinder verloren, reicht keinesfalls aus, ihr Verhalten zu motivieren. Der Gatte ist von unendlicher Geduld (wenn er nicht reizbar wird), und man weiß absolut nicht, warum der dem unguten Geschöpf nicht auf der Stelle Adieu sagt, damit sie ihre Launen an jemand anderem auslassen kann…
Natürlich, wenn diese Vanessa ordentlich gespielt würde – aber Angelina Jolie mit ihren aufgeworfenen Lippen und den aufgeklebten Riesenwimpern, ein Kunstgesicht, das wie Marisa Mell aussieht, die gerne Sophia Loren wäre (mit deren Riesenbrillen, wenn sie denn einmal in die Sonne geht), ist unfähig, auch nur irgendetwas auszudrücken. Sie möchte so gerne mysteriös sein und wandelt doch so oft am Rande der Lächerlichkeit entlang…
 
Gatte Brad Pitt (Gatte im Leben und im Film und auch noch Produktionspartner in diesem Familien-Film-Unternehmen) tut es vermutlich nicht gern, aber er kann es nicht verhindern: Er hat zwar auch keine Rolle, aber er spielt seine Angelina gnadenlos an die Wand. Denn bei ihm ist da zumindest noch das Flair eines „Writers“ einer Lost Generation (und wen wundert es, wenn am Ende dann doch ein dickes Manuskriptbündel in Maschinschrift in die Tasche geschoben wird und der für den Kinobesucher so mühsame „Urlaub“ offenbar ein Erfolg war), Pitt ist ein Schauspieler, dem man mit mehr Interesse zusieht als seiner steifen Puppen-Frau, die ihre Nicht-Geschichte auf zweieinviertel Stunden ausdehnt.
Damit wenigstens ein bißchen etwas geschieht, zieht ein junges französisches Ehepaar ins Nebenzimmer: Die Natürlichkeit und Lebendigkeit der Mélanie Laurent ist ein wahrer Genuß (Melvil Poupaud als ihr Gatte kommt weniger zur Geltung). Dann die Kunst-Kino-Idee des „Loches in der Wand“: Durch dieses kann unser müdes Ehepaar die beiden anderen beobachten, wie sie sich schier ununterbrochen fröhlich dem Beischlaf hingeben. Der Voyeurismus nützt ein bißchen – obwohl die Szene, wo sich Pitt völlig angezogen zu seiner nackten Jolie in die Badewanne begibt, so künstlich ist, daß nicht einmal er sie erspielen kann. Die Drehbuch-Wendungen, die Jolie sich ausgedacht hat (daß sie sich dem Franzosen quasi anbietet und vom Gatten wütend zurückgeholt wird), sind derart hanebüchen, daß man die Geduld mit dem Film verlöre… wenn diese nicht schon in der ersten halben Stunde abhanden gekommen wäre…
Es ist ein in jeder Hinsicht „billiger“ Film, von dem man offenbar hofft, daß das Medienpaar „Brangelina“ die Kassen klingen läßt wie vor zehn Jahren bei „Mr. & Mrs. Smith“, als sie einander kennen lernten. Aber damals waren sie auf der Leinwand nicht so schrecklich langweilig wie hier.
 
Renate Wagner