Vom Feilschen
Neulich habe ich einen Neuwagen gekauft. Neuwagenkäufe kannte ich bislang nur von Kollegen. Die verbringen Tage damit, ihre tollkühnen Geschichten vom Feilschen zu erzählen. Natürlich gehen sie als Helden aus diesen Geschichten hervor.
Es sind diese Neuwagenkäufer mit ihren Feilschgeschichten die Enkel jener Männer, die noch Jahrzehnte nach dem Krieg das Foto ihrer Familie zeigten. Das Foto mit dem Loch, das damals in der Brusttasche klaffte, nachdem die todbringende Kugel eindrang. Ohne das Foto – an dieser Stelle könnte man weinen – wären sie nicht mehr gewesen. Es gibt 460.000 dieser Fotos mit Patronenloch drin. Die Löcher haben sie sich an langweiligen Nachmittagen in amerikanischer Kriegsgefangenschaft gebastelt. Nach dem Baseballspiel und vor dem abendlichen Dick-und-Doof-Film. Man kann nicht aus dem Krieg kommen und Stan Laurel nachspielen. Gute Geschichtenerzähler wissen dergleichen.
Die Enkel wählen als Kriegsschauplatz die Glashäuser der Vertragshändler. Und dort werfen sie mit Steinen: Wie sie für den Kratzer am Ascher nochmal 100 Euro rausgeholt haben. Wie sie dem schwitzenden Verkäufer gedroht haben mit aus Belgien über Litauen reimportierten Limousinen. Wie sie Desinteresse geheuchelt haben, als das komplette Autohaus vor ihnen im Staub lag und noch ein Navi drauflegen wollte. Wie sie – als alles unterschriftsreif schien – ihren ungewaschenen Altwagen um die Ecke biegen ließen, zwecks Vergoldung. Ich war also vorbereitet.
Daheim habe ich Desinteresse geübt. Erst an meiner Frau. Das war ein Mißerfolg, sie war beim Sport. Dann vor dem Spiegel. Es war schwer: Ich hatte noch nie Interesse, wie sollte man das negieren? Dann habe ich viel Bargeld von der Bank geholt. Ich spürte das Bündel auf meinem Herzen. Ich fühlte mich stark. Ich wußte, was Geld mit Menschen macht. Ich war der gefühlte Schrecken aller Leasing-Schwätzer. Ich war die Heuschrecke für jeden effektiven Jahreszins. Ich spürte meine Macpherson-Federbeine, vom Drehmoment ganz zu schweigen. Ich war ein einziger rhetorischer Allradantrieb …
Ich finde, dafür ist ein Satz Fußmatten plus Warndreieck ein sehr respektables Ergebnis.
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.
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