Altmännersommer

Jörg Aufenanger – „Ein Sommer in Caputh“

von Frank Becker

Altmännersommer
 
Einmal, meines Lebens Rest zu segnen,
Laß mir noch ein Mädchen oder Weib,
Göttin Liebe, laß mir eins begegnen,
So gestaltet, so an Seel´ und Leib
Ausgeschmückt mit deinen goldnen Gaben,
Daß ich armer, freudenloser Mann
Mich an ihm von ganzem Herzen laben
Und es lieben und verehren kann!


Gottfried August Bürger
 
Es ist der stille Traum, den wohl alle alten Herren träumen, ob sie es zugeben wollen oder nicht. Eigentlich im nicht immer selbst gewählten Alleinsein gefestigt, zufrieden mit dem Erreichten und dem gleichmäßigen Fluß der Tage glimmt doch der Wunsch, noch einmal das Wunder zu erleben: Liebe. Sie sitzen in der Klausur ihrer kleinen Welt, in Cafés, Parks oder in Eisenbahnen. Sie drehen den Kopf nach stattlichen Frauen, die ihren Weg kreuzen, schauen den adretten jungen Mädchen, von denen sie im Grunde nicht mehr wahrgenommen werden, hinterher – und schwärmen mit dem im Körper eines 65jährigen gefangen Herzen des 35jährigen die blutjunge süße Kellnerin an: „Einmal, meines Lebens Rest zu segnen…“.

Jörg Aufenangers spritziger kleiner Roman „Ein Sommer in Caputh“ erzählt davon. Frech, ehrlich, unmittelbar. Als die resolute Lehrerin Irmtraud wie eine Besatzungsmacht in Anton Henzes beschauliches Caputher Leben und sein Sommerhaus am Schwielowsee einbricht, wehrt er sich zunächst. Ein bißchen. Denn das Küssen und das umsorgt werden sind ihm eigentlich gar nicht so unrecht. Aber so recht binden mag er sich nicht. Und ja, er spürt bald sogar ein gewisses Verliebtsein sowie diese unbestimmte Leere, sobald Irmi nicht da ist, selbst wenn sie ihn mit ihrer Eifersucht quält. Sogar ihre schlechten Gedichte erträgt er. Aber da ist auch seine heimliche Sehnsucht nach den Blicken und der jugendlichen Frische der zauberhaften Babette, die ihm im „Portofino“ an der Promenade so nett das Essen serviert. Ihr „Du“ tut ihm gut. Und obwohl sie eindeutig viel zu jung ist, wer weiß... Träumen muß ja erlaubt sein. Nein, auf Babette möchte er nicht verzichten.
Mit viel Witz und ein wenig Melancholie zeichnet Jörg Aufenanger, der seit vielen Jahrzehnten als naturalisierter Berliner in der Hauptstadt lebt, ein Mosaik aus lebensnahen Charakteren, tiefen Gedanken, knappen Dialogen und handfesten Taten - einiges gewiß auch aus der eigenen Biographie geschöpft. Und er gibt neben dem Altersgefälle auch den Ossi/Wessi-Sticheleien Raum, die noch heute erkennen lassen, daß bei der deutschen Wiedervereinigung vor 26 Jahren zwei unterschiedliche Gesellschaftsbilder aufeinanderprallten.
Was ob des vorgerückten Alters Henzes noch geht und was nicht, was es mit einem gestohlenen und einem geschenkten Kuß auf sich hat, wie wichtig die Caputher Havelfähre in der Geschichte ist, welche Rolle Irmis Kollegin Annemarie spielt und wie der Sommer schließlich zu Ende geht, lesen Sie am besten selbst, denn Aufenanger ist ein ganz liebenswerter Wurf gelungen, der allerdings ein sorgfältigeres Layout und weniger Druckfehler verdient gehabt hätte.
 
Es wird nach einem happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen –
da hat sie nu den Schentelmen.
Na, un denn –?
 
Kurt Tucholsky
 
Jörg Aufenanger – „Ein Sommer in Caputh“
© 2016 KLAK Verlag, 132 Seiten, Klappenbroschur – ISBN: 978-3-943767-67-4
12,90 €

Am Sonnabend  16. April,  20 Uhr stellt Jörg Aufenanger sein Buch in der
Galerie 1er Etage, über dem

Brel
Savignyplatz 1 - Berlin-Charlottenburg vor.
 
Weitere Informationen: www.klak-verlag.de