Vierbettzimmer
Neulich habe ich überlegt, wovon ich leben könnte, wenn ich alt bin. Ein Arzt hatte mir unter vier Augen zu verstehen gegeben, daß alles Lüge sei und in 25 Jahren Heime aus Spargründen grundsätzlich Vierbettzimmer hätten – und das seien schon die Aufstocker.
Man darf also nicht aufhören zu arbeiten, dachte ich, und Jürgen Drews fiel mir ein.
Kürzlich war er mir in der Eifel über den Weg gelaufen. Es war Oktoberfest in Wittlich, alle riefen „Onkel Jürgen“, eine Frau warf einen gelblichen Sport-BH in die Luft; später kam der Musikverein 1927 Bombogen und riß die Leute von den Sitzen. Ich zog den Hut. Jürgen Drews ist 68, arbeitet und muß nicht in ein Vierbettzimmer. Es sei denn, die Bewohner gefallen ihm.
Bei der Suche nach einer Alterstätigkeit fielen mir nur Berufe ein, die verschwunden sind. Etwa Männer, die Eier und Ketchup in Teppiche reiben und Hausfrauen eine Bürste andrehen.
Flecken auf dem Teppich sind für mich ein Kinderspiel, das mit der Bürste läßt sich lernen. Aber es gibt keine Putzmittelverkäufer in Fußgängerzonen mehr. Auch die Hausfrau scheint ausgestorben. Traurig suchte ich nach Altersalternativen. Ich dachte an Männer, die Dackel aus Luftballons knoten. Doch bin ich Asthmatiker, das würden schlaffe Hunde.
Als ich aus der Eifel zurückkam, referierte ich meiner Frau die Jobsuche. Sie schlug „Körperwelten“ vor. Selbstkritisch sagte ich, angezogen sähe ich am besten aus. Meine Frau holte ihre Gitarre und gab ein „A“ vor. Optimismus bedrückt mich im Herbst ganz besonders.
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.
|