"Das verdächtige Saxophon"

Tonhalle in Düsseldorf präsentiert Ausstellung und Konzerte zu

von Andreas Rehnolt
"Das verdächtige Saxophon"


Tonhalle in Düsseldorf präsentiert Ausstellung und Konzerte zu
"Entarteter Musik im NS-Staat"

Düsseldorf - "Das verdächtige Saxophon - 'Entartete Musik' im NS-Staat" lautet der Titel einer Ausstellung mit drei Konzerten, die am 26. Januar in der Düsseldorfer Tonhalle eröffnet wurde. Die informative Ausstellung mit zahlreichen Photos, Plakaten und Zeitungsberichten entstand in enger Kooperation mit der Stiftung Berliner Philharmoniker, berichtete der Musikwissenschaftler Albrecht Dümling, der die bis zum 10. März laufende Schau konzipiert hat. 70 Jahre nach der 1938 von den Nationalsozialisten im Düsseldorfer Ehrenhof gezeigten Ausstellung "Entartete Musik" sollen Ausstellung und Konzerte auch an die damaligen Reichsmusiktage der Nazis in Düsseldorf erinnern.
Musik wurde von den Nationalsozialisten unter rassistischen Gesichtspunkten bewertet und entsprechend als "entartet" bezeichnet, so die Chefdramaturgin der Tonhalle, Elisabeth von Leliwa bei der Präsentation der Ausstellung. Propagandaminister Goebbels nannte die Reichsmusiktage eine "Heerschau" deutscher Musikkultur und sprach vom "germanischen Erbe" in deutscher Tonkunst. Entsprechend wurden "nicht-arische" Musiker, Künstler, Musikkritiker und -wissenschaftler verfemt, eingesperrt, zur Emigration gezwungen oder umgebracht. "Deutsche Musik galt als Ersatzreligion, entsprechend spielte die Orgel in der Musik der Naziideologie eine große Rolle", betonten die Ausstellungsmacher.

Schon vor 20 Jahren, 1988 hatte der damalige Tonhallenintendant Peter Girth zusammen mit Dümling "Entartete Musik" vorgestellt. Damals handelte es sich um die rekonstruierte Fassung der Nazi-Schau, die kommentiert und um Aussagen zeitgenössischer Komponisten erweitert worden war. Die seit Freitag laufende Ausstellung wurde anders konzipiert und um Betrachtungen zum Jazz und zur Operette erweitert. "Man weiß inzwischen, dass die Ausstellung vor 70 Jahren umstritten war. Es gab keinen Auftrag von Goebbels oder von der Partei. Der Generalintendant von Weimar, Hans Severus Ziegler, organisierte sie wohl in Eigeninitiative", so Dümling. Es ging den Nazis damals weniger um die Art der Musik, sondern um ihre Herkunft. Als Beispiel nannte Dümling die Operette "Schwarzwaldmädel", ein Plädoyer für die deutsche Heimat. Einziges Problem: Der Komponist Leon Jessel war Jude.

Tondokumente von damals beleben die Ausstellung und machen sie dadurch auch für junge Besucher interessant. Deutlich wird, dass die braunen Machthaber damals mit all der Musik abrechnen wollten, die nicht in ihr weltanschauliches Konzept passte oder von jüdischen Künstlern stammte. Unter den damals verfemten Künstlern fanden sich zahlreiche international anerkannte Komponisten wie Paul Hindemith, Arnold Schönberg, Kurt Weill, Hanns Eisler, Anton Webern, Alban Berg, Leo Fall, Paul Abraham oder Friedrich Hollaender. Dessen Song "Jonny, wenn Du Geburtstag hast..." war laut Dümling "eine Inspiration für Ernst Kreneks viel geschmähte Oper Jonny spielt auf". Diese wurde von den Nazis wegen "Rassenschande" abgelehnt. Auch rechte Wiener Zeitungen schrieben 1938 nach einer Aufführung von "negerisch-jüdischer Besudelung" ihrer Staatsoper.

Für das Cover der Ausstellungsbroschüre verwendeten die Nationalsozialisten den schwarzen Saxophonspieler Jonny aus der Oper und malten ihm statt einer Nelke einen Judenstern an das Jackett. Bei einem der drei die Ausstellung begleitenden Konzerten in der Tonhalle spielt das "verdächtige" Saxophon die zentrale Rolle im Orchesterkonzert. Am 13. Februar werden auch Kurt Weills Mahagonny-Suite sowie Werke von Darius Milhaud gespielt. Beides waren jüdische Komponisten, "die durch ihre pathosfreien, Genregrenzen unbekümmert überwindenden Kompositionen den Nazis ein besonderer Dorn im Auge waren", betonte Dümling. Beim Konzert am 8. März schließlich ist Musik unter anderem von Anton Webern und Paul Hindemiths zu hören. Zwei Musiker, die in besonderer Weise den Hass der Nazis auf sich gezogen hatten.

Das die ästhetische Verfemung für viele Künstler gleichbedeutend mit der Bedrohung und Vernichtung der eigenen Existenz war, belegen die Lebensläufe von Erwin Schulhoff und der "Theresienstädter" Komponisten Hans Krasa und Rudolf Karel, von denen beim Abschlußkonzert ebenfalls Werke gespielt werden. In der Ausstellung gibt es auch zahlreiche Zitate von Musikern, die vor einer möglichen Wiederholung von Verfolgung und Unterdrückung von Musik warnen. So sagte Mauricio Kagel 1987: "Auch Musik bedürfte einer Organisation wie Amnesty International, die sich an Ort und Stelle stets gegen die Verteufelung der akustischen Kunst wenden sollte."

Nach dem Ende der Ausstellung in der NRW-Landeshauptstadt wird "Das verdächtige Saxophon. 'Entartete Musik' im NS-Staat" übrigens vom 14. Oktober bis 18. November im Mainzer Rathaus zu sehen sein. Weitere Stationen sind nach den Worten von Dümling in Vorbereitung.
Öffnungszeiten: Bei freiem Eintritt Mo-Fr: 15 - 18 Uhr. Ein Besuch zu den Konzerten der Tonhalle ist nur mit einer jeweils gültigen Eintrittskarte möglich.

Internet: www.tonhalle.de