Bestsellerfressen

„Unterwegs für den Frieden “ von Matthieu Ricard

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Buddha bei die Fische, Teil III
 
„Unterwegs für den Frieden “
von Matthieu Ricard
 
Dat is übrigens 'n Bilderbuch vom Dalai Lama – nur mit Bildern nur vom Dalai Lama. Der Dalai Lama von vorne, von hinten, von oben, von unten, vonner Seite und von schräg, mit Mütze und ohne Mütze und einmal sogar nur mit Mütze (ner Ganzkörpermütze) dann noch beim Schnäpp­chenkauf im Uhrengeschäft und in der Comedy-Sendung von Alfi Biolek - der Dalai Lama hier, der Dalai Lama da – der Dalai Lama hopsassa. Und alles für den Frieden! Und ein Foto pille-paller als das andere.
Aber ein Artikel über ihn is auch drin, n Artikel mit richtigen Sätzen und so. Zum Beispiel mit dem hier:
„Dass der Zustand der Welt ihn immer wieder zum Weinen bringt, verheimlicht der Dalai Lama nicht. Das Schicksal eines Kükens, das von einem Lastwagen ge­fallen ist und nun verloren inmitten des durchschnittli­chen indischen Verkehrschaos steht, mit einer Lebens­erwartung von noch wenigen Sekunden, beschäftigt ihn lange. Es trifft ihn sehr, dass er nichts für das Tier tun kann.“
Ja, mich auch.
Andererseits ist er ja normalerweise eher der lustige Typ. Ich glaub’, nur Bernd Stelter is noch lustiger. Oder? Seine Hei­terkeit, der Dalai Lama, der 14. Lachsack vom Dachboden der Welt, hat Scherze auf Lager, da fallen Sie vom Glau­ben ab. Und es begab sich Folgendes:
Der Autor des Artikels Matthieu Ricard & Manuel Bauer, seines Zeichens Leibfotograf der tibetanischen Witztüte, hatten dem lustigen Lama grade vorgerechnet, daß er in seiner langen traurigen Existenz bisher wohl an die „118 625 Stunden medi­tiert“ haben muß. Worauf unsre heilige Kichererbse sich auf der Stelle wieder kringelig kicherte und ehrlich zu­gab, daß er das gar nicht gewußt hätte, und daß er es sowieso nich so dolle mit’m Rechnen hätte, kicher, kicher, und sodann zur hihi Haupt­pointe schreitet: „‚Aber auch wir Buddhisten müssen rechnen können. Wir müssen z.B. wissen, wie viel Urin wir absondern, und wie viel hier hinten rauskommt.’ Sagte der Dalai Lama und deutete dabei auf seinen Hintern. ‚Diese Produkte sind doch unsre eigentliche Mission, das ist doch unser Haupt­zweck als Menschen!’ Dann stützte er die Arme auf die Knie, um das Lachen unter Kontrolle zu halten. So sehr schüttelte es ihn.“
Ja, schüttel, schüttel. Ich könnt’ mich wegwerfen!

Die Deutschen, die Dichter und Denker, – so steht's hier in dem Ding geschrieben – haben den lustigen Tibeter unlängst „zum weisesten Mann der Welt“ gewählt. (Komisch! Ich kann mich gar nicht an die Wahl erinnern ...Na, vielleicht war’s auch nur im Auftrag der Zeitschrift „Pokemon“.)
Was ich sagen wollte:
Zwar hatten die deutschen Dichter und Denker, seitdem sie dichten, denken und wählen dürfen, bei der Wahl ihrer weisesten Männer nicht unbedingt immer das glücklichste Händchen, aber vielleicht liegen se ja in diesem Falle gar nicht so falsch. Was also, so wollen wir fragen, fasziniert dies deutsche Volk denn so tierisch an Tibet und seinem obersten Witzbold? Außer seine Wiedergeburtswitze. Na, mit Sicher­heit natürlich auch das politische System dieser Brüder, oder? Das geht nämlich folgendermaßen:
„Zehn Tage nach dem tibetischen Neujahr treten die Staats-Orakel vor dem Dalai Lama auf, um die Ereig­nisse des kom­menden Jahres vorauszusagen. Orakel stellen die Geister von Gottheiten dar. Die Gottheiten suchen sich dann ein Medium aus, fahren in dessen Körper ein und sprechen durch seinen Mund.“ Ey, psst! Ruhe! Der Dalai Lama verbindet gerade fernöstliche homopathische Buddha-Binsen mit westlicher ...äh, dings Politikwissen­schaft! Lauschen wir also weiter: „Die Orakel tragen äußerst wert­volle Kostüme aus mehreren Lagen Seidenbrokat und Edel­steinen. Solange die Orakel nicht in Trance sind, können sie kaum gehen und müssen gestützt werden.“
Aah! An der Stelle hatt’ ich direkt n Bild vor Augen: Ich sah Johannes Heesters in den Armen von Barbara Rütting, und im Stuhlkreis drum herum saßen Antje Vollmer, Inge Meysel, Mutter Beimer & Iris Berben, Claudia Roth, Roland Koch und Klausjürgen Wussow, wie se alle zu­sammen eingehüllt in kostbarstes Seidenbrokat sich einen um die Wette ommten: Omm omm omm... egal ... weiter: „Durch Gebete werden die Gottheiten angerufen, bis sie durch den Scheitel in das Medium fahren.“ Meine Fresse! Mitten durch den Scheitel? Ja, mitten durch den Scheitel! Weiter: „Nach ersten Tänzen voll­führen die Orakel verschiedene Rituale,“ wahrscheinlich so was wie Hammel­sprung oder so. „und werden dann vom Dalai Lama und den andern Regierungsmitgliedern befragt.“ Was natürlich genauso wenig bringt wie hier irgend so ’n Untersuchungs­ausschuß. Aber nicht, weil die sich alle gegenseitig was in die Mütze lügen, sondern deshalb, weil das Lama und seine ulkige Regierung dabei traditionell von Über­dosen Mittelstrahl und Binsentee dahingerafft in den Seilen hängen und nur noch blöde grinsend durch die Gegend glotzen. Andererseits müßte eigentlich auch ’ne nüchterne Mirakel-Befragung – also ohne Mittelstrahl und Binsenbrühe – relativ reiner Quatsch sein. Denn: „Denn ihre in Trance geäußerten Worte über das kommen­de Jahr sind oft schwer verständlich.“ Ja, is’ ja auch verständlich. Vor allem wenn man hacke ist. Womit die Probleme allerdings erst richtig anfangen:
„Da der menschliche Körper zu klein ist für die mäch­tigen Gott­heiten, treten die Augen der Medien aus den Höhlen, und das ganze Gesicht bläht sich auf.“ Und wie das ausschaut, meine Damen und Herren, da machen Sie sich keine Vorstellung von!
Ich mein’, ich hab’ die Fotos ja gesehen ... Egal. Einen unschlagbaren Vorteil hat das ganze Procedere jedoch aber auch: „Am Ende ihrer Prophezeiungen, wenn die Gottheiten den Körper wieder verlassen müssen, brechen die Medien dann ohnmächtig zusammen.“ Rumms!
Ohnmächtig zusammenbrechende Medien! In Tibet ist so was Alltag. Aber hierzulande wäre das vielleicht auch mal ’ne Alternative.
Gute Nacht.

Jul. 2005