Warum Urlaub konserviert werden muß
Es sind nicht so furchtbar viele Zivilisationstechniken, die der Deutsche entwickelt hat, um den Urlaub beziehungsweise das dem Urlaub zugeordnete Gefühl zu konservieren. Die wichtigste sei genannt: Er bringt sich eine Erinnerung mit. Denn wie ließen sich die wuchtigen Mauern des Colosseums anders von Rom nach Buer transportieren als auf einem bedruckten Viskose-Shirt in XXL (Rückseite Papst)? Und wie käme die ganze überschwappende Lebensfreude einer ibizenkischen Sangria-Nacht besser über die Grenze nach Datteln als in dieser putzigen Motiv-Trinkfiasche, auf die ein rechter Spaßvogel „Einer geht noch rein“ gekrakelt hat?
Indes: Es ist so seltsam wie bedrückend, daß diese Technik der Urlaubskonservierung eine durch und durch Vergebliche ist. Der fesche Strohhut, mit dem man - in einem euphorischen Assimilationsschub - gestern noch kumpelhaft den Gauchos zuwinkte: Plötzlich ist er non grata, unerwünscht, einzig das peinliche Requisit eines Lebensstils, für den unser grauer Alltag nicht Raum noch Zeit hat. Auch das fröhliche Schirmchen aus Tokio: in Sterkrade bloß noch ein Schatten seiner selbst.
Es gilt dies alles gleichfalls für Lebensmittel. Letzte Woche in Málaga, da konnte man gar nicht anders, als bei einem trockenen Sherry in der Hand mit der Natur ins Reine kommen. Auf dem Baukauer Balkon ist dieser Tropfen nicht den Zoll Wert, den wir bei 19 Flaschen dann doch hatten zahlen müssen. Woher kommt der schale Geschmack, den wir in Andalusien rassig fanden? Liegt das wirklich nur am Blick nach Crange und dem Blattlausspray der Nachbarin? Wir wissen keine Lösung, nur die Fakten wissen wir: Erinnerungen, mitgebrachte zumal, sind wohl zu schön - um zu Hause wahr zu sein.
© Lars von der Gönna - Aus dem Buch „Der Spott der kleinen Dinge“
mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Henselowsky Boschmann und der WAZ.
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