Fertig!

Jürgen Drese & Andreas Greve - „Tausendundeine Elphi“

von Frank Becker

© 2016 KJM Verlag
Fertig!
oder:
Hokuspokus Hokusai
Fokus Richtung Sandtorkai!
 
Seenot mitten in der Stadt:
Bei dem Ding ging gar nichts glatt.
Sturmumtost war das Projekt.
Ungerührt der Architekt.
 
Jetzt gibt es sie also doch: die Elbphilharmonie in Hamburg – unsere Elphi!“, schreibt der Hamburger Maler Jürgen Drese im Vorwort zu seinem einzigartigen Bildband über Idee und Geschichte, Wahn und Wirklichkeit des auf dem schütteren Fundament der Hybris erbauten Hamburger Klangtempels. Nach „gefühlten 1001 Jahren Bauzeit“ und der schamlosen Verzehnfachung der ursprünglich angesetzten Baukosten sei das den Schönen Künsten gewidmete Konzerthaus nun fertig und könne in Kürze in Betrieb gehen, vermeldeten mit gedämpften  Trompetenstößen Sender und Gazetten, und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz nahm vor den Kameras den letzten Ziegelstein mit irgendwie doch etwas betretener, ja verschämter Miene entgegen. „FERTIG!“ hatte man in maßloser Bescheidenheit in diesen Stein hineingeprägt, und „FERTIG!“ prangte es in riesiger Leuchtschrift an der schimmernden Fassade dieses Zeugnisses planerischen Unvermögens, das um ein Haar dem Berliner Flughafen BER den Rang in Sachen Lächerlichkeit abgelaufen hätte. Jetzt protzen und strahlen sie, die Bauherren, zumal die beteiligten Unternehmer - können sie ja auch, denn ihre Taschen sind prall gefüllt mit dem Geld der Steuerzahler. Eigentlich müßte aus diesem Grund für Hamburger Bürger der Eintritt für immer und ewig frei sein.
 
Ein Punkt, ein Strich, ein Federstreich,
schon steht sie da von jetzt auf gleich!
 
Aber zum eigentlichen Anlaß dieses kleinen Artikels, zu „Tausendundeine ELPHI“ einem Buch, das dem Betrachter und Leser Seite für Seite mehr Vergnügen bereitet als die neun Jahre Bauzeit des gigantomanen Musentempels. Und das im Vergleich zu seinem Gegenstand mit seinem nachgerade lächerlichen Preis von 18,- € (der während des Druckens, Bindens und Auslieferns nicht gestiegen ist) spottbillig ist. Das unterscheidet den Verlag KJM markant von Hochtief.
Jürgen Drese hat unter dem nicht einmal geleugneten Einfluß von Heroen der Bildenden Künste die Elbphilharmonie, liebevoll „Elphi“ (oder von Andreas Greve trefflich „Port Monet“) genannt, kongenial in allerlei historische Gewänder gehüllt und in Kulissen von Kunst und Geschichte gestellt. Von der Sandburg am Elbestrand bis Trutzburg des Mittelalters bieten sich Vergleiche ebenso an wie mit dem gläsernen Schneewittchensarg und der sinkenden Titanic, mit Kino-Schinken wie „Cloese Encounters…“ und „Avatar“, mit den Ruinen von DElphi und Michelangelos „Adam“ ja irgendwie fast von selbst an. Jürgen Drese hat in die Vollen gegriffen und kenntnisreich mit Witz und feinem Pinsel das zugegeben augenfällige Gebäude von Herzog & de Meuron in die Welt von Kunst, Architektur und Dichtung getragen. Wir begegnen der Elphi in Venedig und Utah, in tosender See und im Hochgebirge. Christo wird ebenso beteiligt wie Leni Riefenstahl, Franz Sacher, Max Ernst,  Bob Kane, Philipp Otto Runge und Salvador Dali.


Zum Glück ist Batman Milliardär - und stemmt den Bau auch pekuniär.
(Bild: Drese - Text: Greve) 
 
Der Vorentwurf aus Schweizer Käse
geriet in Hamburg zur Malaise
 
Apropos Dichtung: hier kommt Andreas Greve ins Spiel, ich habe ihn ja oben bereits kurz erwähnt. Der Hamburger Lyriker, nicht nur in der Hansestadt durch seine Librette und seine hintergründig humorvolle Lyrik, sondern auch als Kolumnist nicht zuletzt der Musenblätter  allfällig bekannt, wurde – ein kluger Schachzug – gebeten, die Bilder Jürgen Dreses mit Versen zu begleiten. Das Ergebnis gibt der Idee Recht.
Das Vergnügen an den Bildwerken potenziert sich bei der Lektüre, was können Leser, Verleger und Autoren mehr verlangen? Da blättert man vor und zurück, genießt wieder und wieder die zu einer Einheit verschmolzenen Bilder/Verse wie:
„Der stinknormale Shinto-Schrein
will heute gern Konzerthaus sein.“
beschreibt Andreas Greve Jürgen Dresens Adaption von Utagawa Hiroshiges winterlichem Tempel
und Katsushika Hokusais „Unter der Welle im Meer vor Kanagawa“:
„Hokuspokus Hokusai
Fokus Richtung Sandtorkai!“


Wie schön, daß - wenn das Schiff auch sinkt - die Klassik stilvoll weiterklingt.
(Bild: Drese - Text: Greve)
 
Eine bessere Wahl für die Texte hätte man nicht treffen können. So wird aus einem ironisch-kunstfertigen Bilderbuch ein süffisantes Gesamtkunstwerk. (Alle hier auch in den Zwischenüberschriften, Ein- und Ausleitung einigermaßen gereimten Verse stammen aus der unvergleichlichen Feder Andreas Greves.)
Unser zweites (ausnahmsweise) Buch des Monats und allemal unser feinstes Prädikat wert: den Musenkuß!
 
„Sei´n wir dankbar und zufrieden,
bis der erste Riß sich zeigt.
Uns ist reichlich Zeit beschieden,
bis der Glaspalast sich neigt.“
 
Jürgen Drese & Andreas Greve - Tausendundeine Elphi
55 Bilder und 55 Gedichte
© 2016 KJM Verlag,  Hardcover, 94 Seiten, 20 x 18,7 cm - ISBN 978-3-945465-25-7
€ 18,00
 
Weitere Informationen:  http://www.hamburgparadies.de