Notizen
Erinnerungen: Ich weiß noch, wie ich meine Frau kennengelernt habe. Da hat sie in einem alternativen Café gearbeitet, wo die Stühle selbst gezimmert waren aus wiederverwertbaren Abfallprodukten. Man trank dort fair gehandelten Kaffee, der nicht schmecke und ahnte schon, daß eine gerechte Welt gewisse Einschränkungen mit sich bringen würde. Ich saß dort immer in einer Ecke und tat so, als würde ich Zeitung lesen. Ich wollte damals gebildet erscheinen und trug sogar eine Brille, durch die ich nichts sehen konnte. Manchmal, wenn ein Cafégast bezahlen wollte, nickte ich meiner zukünftigen Frau zu und gab ihr ein Zeichen, damit sie wußte, daß ich auf sie achtete. Danach kam sie immer auf mich zu und fragte: „Alles zu ihrer Zufriedenheit?“, und ich sagte: „Schöner kann es nicht mehr werden.“ Verstehen sie? Das war ein Spiel. Und heute manchmal, wenn man traurig zurückblicken muß auf alle die Ideen, die man mal von einer besseren Welt hatte, dann steht sie immer lachend vor mir und fragt. „Alles zu ihrer Zufriedenheit?“, und ich sage. „Schöner kann es nicht mehr werden.“ Und dann sind wir froh, daß wir nicht in diesem alternativen Café auf den ungemütlichen Stühlen sitzen müssen und ich nicht mehr den fair gehandelten Kaffee trinken muß, der mir gar nicht geschmeckt hat. Denn wissen sie, auch das Glück ist nicht immer auf beiden Augen blind. © 2016 Erwin Grosche |