Mitreißend

„Love & Friendship“ von Whit Stillman

von Renate Wagner

Love & Friendship
(GB 2016)
 
Regie: Whit Stillman
Mit: Kate Beckinsale, Stephen Fry, Chloë Sevigny, Morfydd Clark u.a.
 
Die durchaus zahlreichen Jane-Austen-Filme kommen als äußerlich schöne Kostümschinken auf die Leinwand. Aber unter Taft und Spitzen brodeln menschliche Abgründe, und das macht die Geschichten immer wieder interessant. Aber so interessant wie „Love & Friendship“ – das war die Austen auf der Leinwand lange nicht.
 
Eigentlich dachte man, alle Romane von Jane Austen seien mittlerweile verfilmt – von „Sinn und Sinnlichkeit“ mit Emma Thompson über Gwyneth Paltrow als „Emma“ und „Mansfield Park“ mit Frances O’Connor bis „Stolz und Voruteil“ mit Keira Knightley. Abgesehen davon, daß sich die arme Jane Austen ihre Romane auch mit Zombies verquicken lassen muß – „Stolz und Vorurteil und Zombies“ rangierte dann nicht unter den Literaturverfilmungen, sondern unter den Horrorproduktionen des Jahres 2016. Na ja, wenn man wie Jane Austen (1775-1817) seit 200 Jahren tot ist (2017 wird es dann manches zu feiern geben), hat man keine Rechte.
Aber auch eine tote Dichterin kann Glück haben. Da hat sich Whit Stillman, ein Regisseur, der selten arbeitet, aber dann offenbar gründlich, einen ihrer weniger bekannten Romane vorgenommen, „Lady Susan“, und brachte das unter dem Titel „Love & Friendship“ als so scharfzüngige Gesellschaftskomödie (mit tragischen Einsprengseln) auf der Leinwand, als hätte kein Geringerer als Oscar Wilde mitgeschrieben.
 
Die Welt der Jane Austen mag äußerlich voll von Plüsch und Spitzen sein, innerlich ist sie ziemlich hohl. Damals, im späten 18. Jahrhundert, drehte sich in großbürgerlichen und adeligen Kreisen alles ums Geld (Tut es das nicht immer…?). Und scheinbare Ehrbarkeit war verpflichtend, wenn auch die unkonventionellen „bunten Vögel“, die Klatsch und Tratsch fütterten, den Alltag amüsant machten.
So wie Lady Susan, die vor ihrem schlechten Ruf zu ihren Verwandten flüchtet, die nichts gegen ihre Anwesenheit unternehmen können. Auch wenn sich die Dame hier so schlecht benimmt wie eh und je. Nun möchte die Witwe wieder heiraten und auch ihre Tochter, die ihr äußerst lästig ist, unter die Haube bringen – zwei reiche Männer gesucht. Das reicht für jede Menge amüsanter Intrigen und Komplikationen.
Neben der herrlichen Bloßstellung hohlköpfiger, engstirniger, unglückseliger Charaktere, über die man legitim lachen darf, wird aber auch viel von dem eminenten gesellschaftlichen Druck erzählt, unter dem Frauen der „Gesellschaft“ standen, die letztlich auf „lukrative“ Ehen angewiesen waren, um nicht in ein ziemlich aussichtloses Leben gepreßt zu werden.
 
Wie Kate Beckinsale als Lady Susan Vernon mit ihrem Schicksal umgeht, das ist souverän in der Skrupellosigkeit, köstlich differenziert in der berechnenden Bosheit und zeigt, daß diese Schauspielerin weit mehr kann, als periodisch als Vampir in den „Underworld“-Filmen aufzutauchen.
Auch die übrigen, bei uns weniger bekannten Darsteller (Stephen Fry vielleicht ausgenommen) bringen die hohe Schule britischer Schauspielkunst, die sonst meist in opulenten Fernsehserien zu sehen ist, mitreißend auf die Leinwand. Noch nie war Jane Austen so komisch und giftig.
 
 

Renate Wagner