Ein irrwitziges optisches Spektakel mit herrlichen Effekten

„The Great Wall“ von Zhang Yimou

von Renate Wagner

The Great Wall
(China/USA 2016)

Regie: Zhang Yimou
Mit: Matt Damon, Jing Tian, Pedro Pascal, Willem Dafoe u.a.
 
Betrachtet man die Chinesische Mauer, eines der gewaltigsten Bauwerke der Erde, aus historischer Sicht, wurde sie wohl aufgerichtet, um den Ansturm von Reitervölkern aus dem Norden zu bremsen. Aber auch die Chinesen haben ihre Mythen, Märchen und Legenden, und da heißt es dann, daß es darum ging, ein drachenartige Monster namens Tao Tie und seine Armee mörderischer Fabeltiere abzuhalten…
 
Wenn nun also der Monsterfilm „The Great Wall“ in die Kinos kommt, geht es nicht um chinesische Geschichte, sondern um Mythos, Fantasy, Actiongetümmel und Effekte-Gewitter – großes Kino im Hongkong-Stil, allerdings auch auf ein westliches Publikum ausgerichtet. Denn der bereits legendäre 65jährige chinesische Regisseur Zhang Yimou, erst mit seinen kritischen Filmen (Rotes Kornfeld) Liebling der Festivals, dann Erzeuger herrlicher Martial Arts-Filme (Hero), hat nun seinen ersten Hollywood-Film auf Englisch gedreht – wobei das produzierende Studio finanziell ohnedies fest in chinesischer Hand ist.
Also begegnen wir irgendwann im 15. Jahrhundert europäischen Söldnern auf der Flucht vor Verfolgern durch die pittoreske Wüste Gobi – das ist gleich die wilde Jagd in bestechenden Bildern, und darauf soll es auch in der Folge ankommen. Geheimnisvolles Geheule macht klar, daß sie nicht nur von Menschen, sondern auch unerklärlichen Phänomenen bedroht werden.
 
Zwei der Männer, William Garin und Pero Tovar, kommen davon und landen bei der im Bau befindlichen Riesenmauer (man hat übrigens erfahren, daß sie nur aus dem Computer kommt – dafür wirkt sie beklemmend echt). Bewacht wird das Gemäuer von – Damen, mehr noch einer ganzen Frauenarmee, befehligt von Kommandantin Lin Mae. Das mag skurril wirken (man sieht keine abgeschnittenen Busen, Amazonen sind es also nicht), aber man erinnert sich: Noch unter Mao gab es, als moderne getanzte „Revolutionsoper“, das „Rote Frauenbataillon“. In der Historie sind sie natürlich hübscher als im Mao-Anzug, kurz, die Damen haben Tradition. „They are women!“ stellt Garin fest, falls es jemand unter den Kinobesuchern nicht kapiert.
Und – Lin Mae spricht Englisch („Phantastisch!“ kommentiert William Garin diese hoch erwünschte Tatsache – ja, hie und dabei gibt es ein Quentchen Humor), und nun holpert sich die Unterhaltung zusammen. Über die Bedrohung durch Tao Tie, darüber, daß Garin und Tovar angeblich Händler seien (die Dame ist flink im Begreifen und konstatiert: Ihr seid Soldaten!), und dann gibt es ein bißchen Prahlerei hier und dort, wobei die Söldner mit Pfeil und Bogen zwar reüssieren können, aber die Chinesen rund um die Mauer an Maschinen und sonstigem auch einige Wunderwerke zu bieten haben. Ganz abgesehen von ihrer martialischen, von Trommelwirbel begleiteten Disziplin.
 
Nach dieser Exposition sind wir schon bei den drachenartigen Monstern, die über das Geschehen herfallen, und damit hat es sich für den Rest des Films mehr oder minder an Handlung: Man stellt immer öfter fest (übrigens auch im Theater), daß angesichts überbordender Machart oft gar nicht mehr gefragt wird, worum es eigentlich gehen soll und ob dazu noch etwas zu sagen wäre…
Kurz, der Rest des Films widmet sich in ausufernden, phantastischen Bildern dem Kampf gegen die Drachen, und man muß ehrlich sagen, daß niemand im Westen diese Szenen mit so viel Eleganz und Geschmeidigkeit auf die Leinwand bringt wie diese Künstler aus der Schule des klassischen Hongkong-Kinos. Trotzdem ist es schade, daß ein Mann wie Zhang Yimou bereit war, sein beeindruckendes Handwerk auszubreiten und es damit bewenden zu lassen.
Denn es wird klar, daß alle Beteiligten keinesfalls etwas Anspruchsvolles wollten. Im Gegenteil. Die Begegnung zwischen den Leuten aus dem Westen und den Chinesen wird weder zum Kampf der Kulturen noch zum politischen Problem (wie später bei Opiumkriegen, Boxeraufstand und kapitalistischer Ausbeutung), es ist einfach ein Teil der Geschichte. Die Söldner sind zwar beileibe keine Helden, auch keine Musterknaben (immerhin wollen sie ja eigentlich damit reich werden, daß sie das legendäre Schießpulver stehlen, mit dem man übrigens die Drachen ganz gut bekämpfen kann), aber auch keine allzu üblen Kerle. Und die Chinesen geben sich zwar martialisch, aber außer der Heldin in Uniform ist nicht eine Figur auf ihrer Seite wirklich ausgearbeitet. Es bleibt kaum Zeit, das bißchen Sympathie zwischen Garin und der Soldatin-Kommandantin auszuschmücken, bevor er am Ende (die Drachenplage ist mit seiner Hilfe beseitigt) wieder in den Westen reitet. Simpel, simpel. Dürftig, dürftig. Schade.
 
Matt Damon ist Matt Damon, ein Mann mit starker Leinwandpräsenz, auch wenn er nicht viel mehr zu tun bekommt, als einfach da zu sein, aber schon seine Mitspieler versickern: Pedro Pascal als Pero Tovar hätte wohl die Funktion des Komikers in einer Buddy-Konstellation mit Damon, aber er kommt als zweiter Mann nicht zur Geltung. Und man fragt sich, wozu Willem Dafoe überhaupt mitspielt, es sei denn, daß einmal erwähnt wird, daß die Kommandantin ihm ihre Englischkenntnisse verdankt.
Tian Jing ist zwar eine der fraglos schönen Asiatinnen, wie man sie schon oft kennen gelernt hat, aber die überwältigende Ausstrahlung, wie sie etwa Zhang Ziyi oder Gong Li einst auf die Leiwand brachten, hat sie nicht. Und darüber hinaus hat der Film an Darstellern nichts weiter zu bieten.
Dennoch sollte man nicht ungerecht sein: Man sieht ein irrwitziges optisches Spektakel mit herrlichen Effekten, und wer dergleichen liebt, wird bedient. China ist immer ein hinreißender „Exotismus“-Rahmen, und die Schauwerte des Films sind erstklassig. Man darf sich die Freude an so einem Spektakel nicht durch zu viele Ansprüche an eine Geschichte verderben lassen.
 
 
 
Renate Wagner