Alles ist Skulptur... Er war ein echter, ja ein bekennender Rheinländer, der Weltkünstler, wenn er auch kein Künstler von Welt war, denn er blieb stark befangen in seiner Welt. Und die lag in der Kunst, indes rein geographisch gesehen zwischen Kleve und Düsseldorf, mit einer gelegentlichen Abzweigung nach Wuppertal . Die Beuys-Monographie von Reinhard Ermen zeigt sowohl auf der dritten Innenseite als auch auf der vierten nochmals vergrößert, den Mann mit Hut, wie er seine Wange - aber nur fast - auf die Innenfläche seiner linken Hand legt, als ob er in einer Schwebe schliefe. Das Photo ist 1965 in Elberfeld entstanden, während einer der legendärsten Fluxus-Aktionen: "24 Stunden", die in der Parnaß-Galerie des Rudolf Jährling im Briller Viertel stattfand und die in den Mittsechziger Jahren, als Aufbruch aller Orten, gar in Wuppertal war, zu den Brennpunkten der Kunstavantgarde zählte. Happening, Aktion und Fluxus waren die Stichworte für den radikalen Bruch mit der Vor- und der Nachkriegskunst, ein Bruch, der in jenem 20. Jahrhundert nur ein einziges Mal vergleichend vehement war, um 1910 nämlich, als in Dresden, Zürich und Paris die Moderne der Malerei und Dada sich Bahn brachen. Ermen erzählt in seiner rororo-Monographie von diesem neuen Abenteuer der Moderne, das aber ob bewußt oder oft unbewußt an Dada anknüpfte, wobei Beuys wie Ermen erzählt eher durch den Anblick einer Lehmbruckfigur den Weg zur Kunst fand, und zwar schon 1938 während der Schulzeit. "Alles ist Skulptur, rief mir quasi dieses Bild zu. Und in dem Bild sah ich eine Fackel, sah ich eine Flamme, und ich hörte: Schütze diese Flamme". Mit "alles ist Skulptur", könnte man auch das Gesamtwerk Beuys´ überschreiben, denn alles ist auch Installation, was zu einer oft auch lebenden Skulptur wird, was den Vorteil in sich birgt, für den Moment der Aktion lebendig zu sein, den Nachteil, vergänglich zu sein, wenn es nicht, aber unzureichend, in Foto und Film dauerhaft gemacht wurde oder in Filz oder Fett. Ebenfalls im Jahr 1965 band sich Joseph Beuys in der Düsseldorfer Galerie Schmela selbst auf einem Stuhl fest, hatte seinen Kopf mit Honig eingeschmiert und dann vergoldet (ohne Hut), hielt fast erstarrt einen toten Hasen im Arm und saß da mehr als zwei Stunden lang, wobei die Stuhlbeine schon mit Filz, um zu dauern, umwickelt waren. "Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt", nannte sich diese Kunstaktion. Häufig kam es während dieser ersten Kunstaktionen des Joseph Beuys zu heftigen Tumulten, so in Aachen. Unverständnis aller Orten. Doch nach einer ersten Beteiligung an einer documenta wurde Beuys um 1966 allmählich zu einem gefeierten Künstler, und das Museum in Mönchen-Gladbach zeigte eine erste Retrospektive seines frühen Werks. Im Epochenjahr 1968 eroberte er die Museen und die Kunsthallen zwischen München, Hamburg und Basel. Beuys verstand seine Kunst immer als politisch und er rebellierte mit seiner "Organisation der Nichtwähler. Freie Volksabstimmung" im ausdrücklich politischen Feld, richtete deren Hauptquartier nahe der Kunsthochschule und Kunsthalle in Düsseldorf ein. 1972 wurde er von Johannes Rau, damals Wissenschaftsminister, als Professor der Kunstakademie entlassen, weil Beuys auch 142 abgelehnte Studenten in seiner Klasse aufnahm. Auch wollte er Baader und Meinhof durch eine Dürerausstellung führen, meinte, dann wäre die beiden resozialisiert. Beuys der gute, gutmütige Anarch, forderte einen „sozialen Organismus als Kunstwerk.“ Illusionsbereit. Diese kleine Monographie erzählt Station für Station ein außergewöhnliches Künstlerleben bis zu jener letzten Installation für das Museo di Capodimonte in Neapel, die heute in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf zu sehen ist: sieben leere Messingrahmen hängen an den Wänden, die zusätzlich noch mit Goldstaub besprüht sind. Im Raum selbst zwei Vitrinen: In der einen Werkzeug des Aktionisten Beuys, in der anderen ein Körper aufgebahrt wie in einem Glassarg. "Die Welt ist voller Rätsel, für diese Rätsel aber ist der Mensch die Lösung" hat der optimistische und doch melancholische Artist Joseph Beuys im November 1985 gemeint. Gut sechs Wochen danach stirbt er in seinem Atelier.
Redaktion: Frank Becker
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Reinhard Ermen Rowohlt- roromonographie 157 Seiten, Broschur, 8,50 € Weitere Informationen unter:
Ferner: Joseph Beuys
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