Huldigung

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Huldigung

Tach zusammen! Na, wie isset denn? Gut!? Hauptsache! Hamse auch dat Buch gekauft? Da hamse gut dran getan. Wirklich wahr. Aber bevor Sie nun Augen, Mund und Nase in dieses wunderbare Buch tief hineinstecken, wollt ich auch noch rasch wat dazu sagen, nämlich, wo der Niederrhein am schönsten ist, kurz: Der Niederrhein is überall schön!
Ich sach dat, damit keinem dat Herz blutet, hat mein Oppa immer gesacht, der war Fuhrmann aus Homberg.
Dann mach dat alte Spiel mal: Wer hat die schönste Weide? Wer hat den schönsten Brunnen? Wer hat dat schönste Dorf? Wo alles immer so propper un adrett aussieht. Nee, nee, an den Niederrhein da musse schon viel Gemüt mitbringen. Wie sach ich immer: Internationales Gemüt, denn speziell der Niederrheiner stammt ja von allen Menschen ab. Dat hab ich schon mal in Kleve vor Jahren in einem Vortrag gesacht.
Also gut: Die Schönheit des Niederrheins, mein ich immer, dat is nich sone Angelegenheit, so wie man sacht, Gott is die Frau schön. Das geht tiefer. Dat krisse fast gar nich raus, warum dat so is. Auf den ersten Blick schon gar nicht. Muss ja auch nicht sein, sach ich immer, dat wär ja ne langweilige Schönheit. Nein, der Niederrhein, der will lang angeguckt werden. Und dann beginnt die große Liebe. Die Indianer sagen ja auch immer, wenn sie sich verlieben: Er hat mich lange angeguckt. Dat is dat Geheimnis des Niederrheins. So is dat. Un wer einmal am Niederrhein war, der kommt wieder. Gott ja, andere fahren nach London, zur Sphinx, nach Venedig, an die chinesische Mauer oder sogar drauf. Soll sein, soll sein. Aber am Niederrhein isset am schönsten, und zwar erst auf den vierten und fünften und sechsten Blick. Da jagen sich die Rätsel: Warum is hier nix los un doch alles los. Un wo anders is alles los, un gar nix los. Der Niederrhein denk ich immer, macht einem nix vor. Da gibbet keine kalkulieıte Romantik, sondern eine Musik aus Vergessen und Erinnern, un da draus entsteht das Gefühl am Ende der Welt am Ende aller Tage zu sein. Und aus dem Altrhein bei Xanten tauchen prustend alle Vorfahren auf, als hätten sie sich verschwommen. Komisch ist der Niederrhein nämlich auch. Das gehört mit zur Schönheit. Wer Phantasie studieren möchte, der sollte ein paar Semester an den Niederrhein kommen und dann als Lohengrin wieder in die große Welt fahren. Burgen gibt's, Schlösser gibt's und Wasserschlösser, Windmühlen und Wassermühlen, Kirchturmspitzen, Fähren und Inseln, Kunst im Schloß Moyland, Karneval in Keppeln, und komm mir nun keiner, und sach, er sei nicht genannt worden.  
 
 
© Chris Rasche Hüsch
Veröffentlichung aus "Zugabe" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.