Maria Stuart in Düsseldorf: kein großes Theater

Stefan Bachmann inszeniert an Schiller vorbei

von Andreas Rehnolt





Dürftiges Spiel bei Maria Stuart
auf dem Roll-Rasen


Stefan Bachmann präsentiert am Schauspiel Düsseldorf ein nicht wirklich königliches Trauerspiel



Düsseldorf - Ein schräges, in vier Stücke unterteiltes Planquadrat, Laufstege in alle vier Himmelsrichtungen, ein großer Haufen Rollrasen und rutschiges Kunststoffparkett (Bühne: Hugo Gretler). Das ist England im Bühnenbild der "Maria Stuart", die Regisseur Stefan Bachmann am 29. Februar am Schauspielhaus Düsseldorf in Szene setzte. Gut zweieinhalb Stunden lang liefern sich zwei Königinnen einen insgesamt eher dürftigen Kampf um Macht, Moral, Religion und Recht am Hofe der englischen Monarchin Elisabeth I. Die Hauptfiguren - Olivia Grigolli als Elisabeth und Melanie Kretschmann als rothaarige Gegenspielerin Maria - blieben ehr blaß.

Clowneske Situationskomik statt Drama

Auch die Herren vom Hofe, samt und sonders in kackbraunen Anzügen und die in graue Sheriff-Uniformen gesteckten Kerkermeister spielen überwiegend beliebig. Gleich zu Beginn wird dem Zuschauer per Knast-Sirene eingedröhnt, daß das Gefängnis der Stuart möglicherweise auch der Hochsicherheitstrakt für RAF-Terroristen in Stuttgart-Stammheim sein könnte. Da werden Kassiber in Leibesvisitationen aus Hinterteilen gezogen und Schlagstöcke blank gezogen. Die schottische Königin im weißen Mini-Unterhemdchen wirkt wie ein verschüchtertes Mädchen, das sich keiner Schuld bewußt ist.


Leicester in flagranti  -  Foto: Sebastian Hoppe

Das höfische Volk der Burleigh und Shrewsbury umwuselt die in die Jahre gekommene Elisabeth, ein wie Pierre Briece als Winnetou radebrechender Graf Aubespine als französischer Abgesandter wirkt ein bißchen wie ein Clown. Und tatsächlich lacht das Premierenpublikum im Großen Haus am Gustaf-Gründgens-Platz mehrmals bei diesem Königinnen-Drama, das allzu oft die Tragik des Geschehens mit platter Situations-Komik zu verwechseln scheint. Der Staatsrat in Schieflage, die Protagonisten allesamt als schräge Vögel. Das paßt zum Bühnenbild. Und Sebastian Blomberg in der Rolle des Grafen von Leicester agiert als ängstlich-geiler und nach allen Seiten taktierender Widerling, der stellenweise Ähnlichkeit mit Klaus Kinski in den frühen Edgar Wallace-Filmen zeigt.

Kurz wird aus der Larve Stuart ein Schmetterling

Als der Gefängnisboden im Knast kurz vor der Pause mit echtem Rollrasen ausgelegt und mit reichlich Wasser besprengt wird, kommt Leben in die bis dahin wie eine Larve liegende Stuart. Sicherlich die schönste Szene des unspannenden Abends, wenn sie mit ihrem allzu kurzen Hemdchen über den Rasen kugelt, herumhüpft und dadurch deutlich macht, wie beengt sie all die Zeit zuvor im Kerker war. Doch der Traum vom Schmetterling erfüllt sich für Maria Stuart nicht. Reichlich naß und schmutzig und zerzaust steht sie vor Elisabeth. Die - im schicken Reitdress und wie frisch vom Laufsteg der Modemesse Igedo kommend - verlangt auf immer Thronverzicht der Rivalin. Maria Stuart redet sich in Rage, schubst die Königin von der Bühne und brüllt ihr und dem Publikum zur Pause zu: "Ich bin besser als mein Ruf!"

Nach der Pause dann wird der Rasen mit Parkettboden zugedeckt. Es bleibt rutschig auf dem diplomatischen Parkett der englischen Queen, die nach einigem Zaudern und Zögern schließlich die Hinrichtungs-Urkunde unterschreibt. Was sie quält und warum sie den Befehl nicht aushändigen will, bleibt bei Bachmann unklar, wie überhaupt die von Schiller gewollten raffinierten Effekte zumeist verschenkt werden. Da schlittern die Hofschranzen übers billige Parkett, da schwankt eine von Bediensteten gehaltene Tischplatte der zittrigen Hand der Königin zur Unterschrift entgegen und das Dokument wird vom überforderten Staatssekretär in Ermangelung eines Teppichs schlicht unter den Rasen gekehrt.


Maria blutrot - Foto: Sebastian Hoppe

Kein großes Theater

Am Ende dann auch nicht großes Theater - aber große Robe. Die Stuart im blutroten Kleid, die Zofe im Schottenrock (Kostüme: Esther Geremus), Beichte und Abendmahl im Kerker. Dann rauscht Maria ab ins Dunkel des schwarzen Bühnenhintergrunds. Den Kopf sieht man nicht rollen. Stattdessen trollen sich die Lords einer nach dem anderen und lassen Elisabeth allein am englischen Hof zurück. Elisabeth erstarrt in einer Geste trotziger Hilflosigkeit. Und wendet sich mit hochgezogenen Augenbrauen dem Publikum zu: "Oh!" das ist ihr letztes Wort, dann fällt der Vorhang über ein trotz alledem vom Premieren- Publikum lautstark beklatschten Trauerspiel in fünf Aufzügen.


Fotos: Sebastian Hoppe

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