Der Musenkuß für Holly Ivins!

Holly Ivins – „Jane Austen. Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt“

von Frank Becker

Der Musenkuß für Holly Ivins
 
Jane Austens Werk genial analysiert und kommentiert
 
Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit,
daß ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens
nichts dringender braucht als eine Frau.

(Stolz und Vorurteil
, 1813
, 1. Satz)

Es soll Menschen geben, die noch nie einen Roman von Jane Austen gelesen haben. Sie glauben das nicht? Nun, ich kann Ihnen versichern, daß es so ist – ich nämlich bin so einer. Um dieses Manko wenigstens im Ansatz wettzumachen, kam eine Neuerscheinung des Frühjahrs bei DVA gerade recht: „Jane Austen. Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt“. Die englische Literaturwissenschaftlerin und nach eigenem Bekunden leidenschaftliche Jane Austen-Leserin Holly Ivins hat für diesen „Reiseführer“ durch die Romane und die Zeit Jane Austens (1775-1817), ihre Biographie und das Verständnis der Roman-Inhalte alles, und ich betone: alles, zusammengetragen, was auch nur annähernd dafür von Bedeutung ist. Ein solch einerseits fachlich anspruchsvolles, zum anderen historisch fesselndes, biographisch sensibles und gleichermaßen höchst unterhaltsames Buch habe ich ähnlich noch nicht in Händen halten dürfen, weshalb mich die Lektüre dieses literarischen Cicerone buchstäblich von der ersten bis zur letzten Seite ungemein gefesselt hat.
 
Was wissen die meisten hierzulande schon über die englische Regency-Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts, ihren historischen Hintergrund, die strengen sozialen Gefüge bzw. Gefälle zwischen Adel, Gentry und Volk und insbesondere die Rolle der Frau? Mal ehrlich, wenig bis nichts. Holly Ivins räumt auch mit diesem Manko auf, denn wer ihr Buch gelesen hat, bekommt ein Fingerspitzengefühl für all die gesellschaftlichen, moralischen, alltäglichen und literarischen Zusammenhänge, die das Leben seinerzeit bestimmt haben. Das ist jetzt ziemlich genau 200 Jahre her, aber Jane Austens Romane haben diese Epoche mit großer Lust am Detail, für Mode, Tanz, Standesdünkel und Benimm-Regeln für alle Zeit konserviert. Und wir lernen, daß Jane Austen, zumindest insgeheim, eine der ersten Soufragetten war, denn was sie tat, nämlich als Frau Romane zu schreiben, zumal durchaus gesellschaftskritische, war etwas, was Frauen streng untersagt war. Hinter der biederen Kulisse, in der sie als ältliche Jungfer lebte- sie wurde nur 41 Jahre alt - agierte sie als scharfsinnige Beobachterin und Kritikerin ihrer Epoche.
 
Holly Ivins gibt tiefe Einblicke in Jane Austens Werk, das mit „Verstand und Gefühl“, „Stolz und Vorurteil“, „Mansfield Park“, „Emma“, „Northanger Abbey“ und „Überredung“ wenn auch erst posthum, so doch zum ewigen Welterfolg wurde. Jeder Roman wird samt sämtlichen dramatis personae genauestens beschrieben, analysiert und mit wertvollen Hinweisen („Achten Sie auf…“ und „Apropos“) kommentiert.  Kehren wir zur Eingangsbemerkung zurück: Wer also noch nie einen Roman von Jane Austen gelesen hat und jetzt Holly Ivins´ Buch liest, wird nicht umhin kommen, wenigstens „Emma“ zu lesen. Vermutlich aber viel mehr. Dieses Buch mit all seinen Randbemerkungen, Zitaten, und Literaturhinweisen sowie einem umfangreichen Kapitel über alle TV- und Kino-Verfilmungen und ihre Darsteller ist ein Geniestreich, den wir mit dem Musenkuß,  unserer Auszeichnung, versehen und das unser Buch des Monats ist.

Emma Woodhouse, schön, gescheit und reich, mit einem behaglichen Zuhause
und heiterem Gemüt, schien in sich einige der besten Glücksgüter des Daseins
zu vereinigen und hatte nahezu einundzwanzig Jahre auf der Welt zugebracht,
ohne viel Anlaß zu Kummer oder Ärger zu finden.

(Emma
, 1815
, 1. Satz)
 
Holly Ivins – „Jane Austen. Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt“
© 2017 DVA, 238 Seiten, gebunden -  ISBN: 978-3-421-04769-4
14,99 €  [D] , 15,50 € [A] | 20,50 sFr

Weitere Informationen: www.randomhouse.de