«O-Ton Pina Bausch» vom Landgericht Berlin verboten

Eine Pressemeldung

von Nimbus Books

«O-Ton Pina Bausch»
vom Landgericht Berlin verboten
 
Aus Urheberrechtsgründen hat das Landgericht Berlin in einem Urteil vom 9. Mai 2017 die Verbreitung des Buches «O-Ton Pina Bausch» unter Androhung «eines Ordnungsgeldes bis zu 250'000.- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten» bis auf weiteres verboten. NIMBUS hat Berufung gegen das politisch höchst folgenreiche Urteil eingelegt.
 
Im Jahr 2016 haben die Bundeskunsthalle in Bonn und der Martin Gropius Bau, Berlin, eine große Ausstellung zu Pina Bausch gezeigt. Als Begleitpublikation dazu hat die Pina Bausch Foundation, Wuppertal, zusammen mit NIMBUS die gesammelten deutschsprachigen Interviews und Reden von Pina Bausch herausgebracht: «O-Ton Pina Bausch». Der Band enthält auch ein «Werkstattgespräch», das Pina Bausch 1987 in der Akademie der Künste Berlin-Ost mit dem Publikum geführt hat; Moderatorin war Ruth Berghaus. Eine redigierte Version des Gesprächs erschien noch zu DDR-Zeiten in den Publikationen der Akademie. Diese sollte ursprünglich auch in den Interview-Band aufgenommen werden, doch erhob Maxim Dessau, der Sohn der inzwischen verstorbenen Ruth Berghaus, dagegen Einspruch. Seine Forderung, die Originalquelle zu edieren, stiess bei allen Beteiligten auf positive Resonanz. Dem Grundsatz «Ad fontes!"» ist gerade NIMBUS in besonderem Maße verpflichtet. Stefan Koldehoff, der Herausgeber des Bandes, und die Mitarbeiter der Pina Bausch Foundation machten sich unverzüglich an die Transkription der glücklicherweise erhalten gebliebenen Tonbänder und legten das Ergebnis ihrer akribischen Arbeit Herrn Dessau vor. Zum Erstaunen aller bemängelte dieser jedoch die sprachliche Gestalt des authentischen Wortlauts: die Voten der Beteiligten seien in ihren Formulierungen mündlich, d.h. grammatikalisch und stilistisch inkonsistent; sie könnten allenfalls als Vorstufen für eine Veröffentlichung gelten. Seine Zustimmung zur Publikation könne er erst nach einer durchgreifenden Redaktion geben, die er sich selbst vorbehalte. Da die Wortbeiträge von Ruth Berghaus weniger als 15% des Gesamttextes ausmachten und sich weder die Pina Bausch Foundation noch NIMBUS den Unwägbarkeiten einer ‹glättenden› Redaktion (auch der übrigen Beiträge) aussetzen wollten, beschloss man, den in solchen Fällen üblichen Weg zu beschreiten und die Voten von Ruth Berghaus sachlich zusamenzufassen und nach ihren Interaktions-Aspekten zu charakterisieren. Der Verlag und die Herausgeber sahen sich dazu um so mehr befugt, als die Aussagen auf einer öffentlichen Veranstaltung gemacht getätigt worden waren. Dazu kommt: Die Quellen werden in einem öffentlich zugänglichen Archiv ohne Sperrvermerk verwahrt und das Verfahren der sinngemäßen Zusammenfassung ist im Journalismus wie in der Geschichtswissenschaft («Regesten») täglich geübte Praxis. Nach entsprechenden Fachgrundsätzen hat Bernhard Echte (vor seiner Verlegerkarriere Historiker und langjähriger Archivar) die entsprechenden Zusammenfassungen vorgenommen und im publizierten Band ausdrücklich als solche kenntlich gemacht  – in der Absicht, urheberrechtliche Probleme dadurch auszuschließen.
Das Landgericht Berlin hat nun auf Klage von Maxim Dessau jedoch entschieden (Geschäftsnummer 15 O 312/16), dass die Anfertigung von Zusammenfassungen öffentlich geäußerter Meinungen selbst dann gegen das Urheberrecht verstoßen, wenn diese Äußerungen in ihrer mündlich vorläufigen Form keinen eigenen Werkcharakter aufweisen. Damit werden nicht nur Eigentexte von Autoren als schutzwürdig betrachtet, sondern auch die Berichte Dritter von der Zustimmung derer abhängig gemacht, über die berichtet wird. Man kann sich unschwer ausmalen, dass Politikern damit ein geradezu ideales Instrument in die Hand gegeben ist, missliebige Berichte über ihre öffentlichen Auftritte auf dem Weg des Urheberrechts zu unterbinden und faktisch eine weitreichende Zensur auszuüben. Ein schwarzer Tag für die deutsche Medienfreiheit.
Wir werden Sie über die weitere Entwicklung des Falles auf dem Laufenden halten.

Weitere Informationen: www.nimbusbooks.ch/