Eine traurige Geschichte mit Hand und Fuß

„Das Gesetz der Familie“ von Adam Smith

von Renate Wagner

Das Gesetz der Familie
(Trespass Against - USA/GB 2016)

Regie: Adam Smith
Mit: Michael Fassbender, Brendan Gleeson, Lyndsey Marshal, Georgie Smith, Kacie Anderson u.a.
 
Gegen seine Gene kann man sich nicht wehren. Genau so prägend für das ganze Leben aber ist die Welt, in der man aufwächst. Und dagegen kann man etwas tun. Kann man es immer? „Das Gesetz der Familie“ stellt diese Frage im Rahmen eines Kriminalfilms, in dem die Gangster von keiner Spur von Romantik umstrahlt werden, im Gegenteil: Sie sind einem von Herzen zuwider. Ein Familien- und Generationendrama erzählt von der Schwierigkeit, sich aus den Banden von starken Menschen und zwingenden Verhältnissen zu befreien.
 
Man lernt die Cutlers kennen. Sie leben in einem Trailer-Park am Rande einer englischen Stadt, und sie sind „White Trash“ – so nennt man diese Art von Proletariat, das auf seine Lebensform noch stolz ist. Außerdem sind sie Verbrecher, Einbrecher und Räuber, die sich gar keine andere Art der Existenz vorstellen können. Jeder weiß es, auch die Polizei, aber am Ende sind sie geschickt genug, ihre Raubzüge zwar immer unter deren Nase durchzuführen, aber keine Beweise zu hinterlassen. Als Kinobesucher ist man bei einigen „Coups“ vorbei, inklusive dem Austricksen der englischen Bobbys, und da funktioniert der Film von Regie-Debutant Adam Smith (bisher vor allem mit Musikvideos beschäftigt) nach allen Regeln des englischen Gangsterfilms. Aber im übrigen will der Streifen ganz offensichtlich mehr.
Im Zentrum der Großfamilie steht der alte Colby Cutler, und Brendan Gleeson gibt ihm alle Primitivität – und all die Größe eines Familienpatriarchen, der das Sagen hat und gegen den sich die anderen nicht aufzulehnen wagen: Er platzt vor Kraft und negativen Emotionen, er haßt und verachtet die „Gesellschaft“ ringsum und fühlt sich geradezu berechtigt, sie auszunehmen. Ein hartgesottener Krimineller, primitiv, brutal und stark. So stark, daß selbst sein Sohn Chad nicht wirklich aufbegehrt, und Michael Fassbender zeichnet – seiner Unbildung zum Trotz – wirklich einen in sich starken Mann.
Er lebt mit Gattin Kelly (Lyndsey Marshal) und Kindern (Georgie Smith and Kacie Anderson) in einem eigenen Trailer, und er ist intelligent genug, sich den Kopf über die Zukunft zu zerbrechen – wissend, daß diese Form von Leben, mit der Polizei immer auf den Fersen, keinen Sinn hat. Soll seinem Sohn Tyson auch kein anderes Schicksal bevorstehen, als nach „Familientradition“ ein Krimineller zu werden? Soll man Kinder nicht in die Schule schicken, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen, was sein Vater ihm verweigert hat und auch für die Enkel zu hintertreiben sucht? Aber jede Andeutung von Chad, einmal nicht mehr bei Vaters Raubzügen „mitmachen“ zu wollen, erschiene diesem als unverzeihlicher Verrat.
 
Ausführlich beschrieben werden die Situation im Trailerpark, die dort lebenden Menschen, die Aussichtslosigkeit für alle, die sich scheinbar in ihrem Sumpf so wohlfühlen. Das ist eine starke Milieustudie aus dem Untergrund, die das Geschehen beherrscht. Man erlebt die Coups, die spannend und auch auf britische Art witzig sind – und das Zusammenprallen von Vater und Sohn. Gleason und Fassbender, das lohnt die Sache allemal, vor allem, wenn eine traurige Geschichte (die am Ende ja doch mehr oder minder offen bleibt) so viel Hand und Fuß hat.
 
 
Renate Wagner