Ein ideales Paar, aber ein schwaches Drehbuch

„Hampstead“ von Joel Hopkins

von Renate Wagner

Hampstead Park – Aussicht auf Liebe
(Hampstead - GB 2017)

Regie: Joel Hopkins
Mit: Diane Keaton, Brendan Gleeson, Simon Callow u.a.
 
Die Dame – etwa 60 plus und sehr gut erhalten, kurz: Diane Keaton – ist zwar Amerikanerin, aber in ihre noble englische Umwelt (erstklassige Londoner Adresse) bestens integriert. Keine wirklich trauernde Witwe, denn wir hören, daß sie ihrem Mann im Grab – der Friedhof von Highgate ist gleich daneben – nichts Freundliches nachsagt. So ganz erfüllt ist ihr Leben nicht, also schaut sie auch mal (sogar mit Fernglas) in den Park vis a vis, den berühmten Hampstead Heath – ja, und da ist er, der seltsame alte Mann, der dort im Grünen in einem verwahrlosten Holzhaus lebt und genau das und nichts anderes will: Nieder mit den Kapitalisten, die die grüne Welt verbetonieren wollen! Also: Die Etablierten und die Außenseiter – der klassische Gegensatz.
 
Emily Walters, die neugierige Witwe, und Donald Horner, der bewußte Loner, der kein Sandler ist, sondern ein recht gebildeter Mann (Brendan Gleeson kann alles, auch das), finden sich natürlich. Allerdings ein bißchen in „der Widerspenstigen Zähmung“-Manier, denn sie sind ja beide nicht alltägliche Individualitäten. Sie möchte anfangs zwar ein bißchen von oben herab „karitativ“ hilfreich sein, er bedankt sich (er ist kein „Charity Case“, er entscheidet, wie er leben will), aber wenn zwei so unwiderstehlich sind, dann wird die Beziehung schon erfreulich intim – der Sohn der Dame kann sich nur wundern, wen er da kaum angezogen in Mutters Küche findet, und die zickigen Nachbarinnen erst recht.
Und schließlich kommt es, wie es kommen muß: Nach 17 Jahren „wild“ im Park, soll Donald nun delogiert werden…
… und was als Komödie begonnen hat, fast mit „Screwball“-Versprechen, wird dann eine über die Maßen konfuse Geschichte, die zwar ihre komischen Elemente hat und der angeblich so guten Gesellschaft (mit ihren zickigen Damen und affektierten Männern) einen Spiegel vorhält. Die Unkonventionellen haben es nicht so leicht in einer Welt konstitutioneller Verlogenheit, wo jeder das Gesicht wahrt und ganz selten einmal ehrlich mit den anderen ist.
 
Wenn es aber dann zu einer skurrilen Gerichtsverhandlung kommt, deren Realismus man als null einstufen kann, und wenn dann plötzlich eine Beziehung fast zusammen bricht, weil Lebensformen unvereinbar scheinen, und man sich als Zuschauer bis zum mühseligen Happyend regelrecht g’frettet… dann verliert der Film von Joel Hopkins in jeder Hinsicht die Balance.
Diane Keaton trägt zwar weißes Haar und Brille, aber um sie ist die unwiderstehliche Jugendlichkeit, die sie nie verloren hat. Und Brendan Gleeson ist der knorrige irische Individualist wie aus dem Bilderbuch. Ein ideales Paar, das die Kraft der „Oldies“ so selbstverständlich ausspielt, daß man keine Sekunde an ihr Alter denkt. Die beiden hätten ein idealeres Drehbuch verdient.
 
 
Renate Wagner