Ausgebuht

„Mother“ – von Darren Aronofsky

von Renate Wagner

Mother!
(USA 2017)

Regie: Darren Aronofsky
Mit: Jennifer Lawrence, Javier Bardem, Michelle Pfeiffer, Ed Harris, Domhnall Gleeson, Brian Gleeson u.a.
 
Das wird Regisseur Darren Aronofsky wohl nicht erwartet haben. 2010 wurde er für seinen Film „Black Swan“ beim Filmfestival von Venedig gefeiert, und Hauptdarstellerin Natalie Portman trug später alle Preise (inklusive dem „Oscar“) heim. Und nun, sieben Jahre später, hat man ihn in Venedig für seinen Film „Mother!“ schlechtweg ausgebuht. Und wenn man den Film zu Ende gesehen hat, weiß man auch, warum.
Dabei scheint es lange Zeit, als wollte Aronofsky die klassischen Elemente eines Horror-Films auf seine Art abspulen (man kann auch melken sagen). Da ist ein großes, altes, ganz einsam in der Landschaft liegendes Haus – ein nicht unübliches Ambiente für Filme dieser Art. Ein attraktives Paar – die junge Frau, die den älteren Gatten offenbar vergöttert. Er ist ein Künstler, Schriftsteller mit derzeitiger Schreibhemmung, sie will für ihn und sie beide das alte Haus (das zwar ohne Viktorianische Üppigkeit, aber doch etwas für Nostalgiker ist) so richtig instand setzen. Tatsache ist auch, daß etwas zwischen den beiden nicht stimmt, daß die junge Frau immer große, traurige Augen macht, der Mann eher oberflächlich beschwichtigt.
 
Jennifer Lawrence spielt die junge Frau, deren Hintergrund man nicht erfährt, und die Kamera ist so gut wie immer bei ihr, oft direkt hinter ihr (was beim Zuschauer die natürliche Furcht auslöst, sie könne sich umdrehen und etwas Entsetzliches sehen), meist aber frontal auf ihrem Gesicht, ganz nah, die Pausbacken, der unsichere Blick, keine Modepuppe. Ein normales Geschöpf, das einfach glücklich sein will – und ja, ein Kind möchte.
Daß Javier Bardem als der Dichter-Gatte nicht so glücklich ist, spürt man, da ist Unruhe, der Wunsch nach Gesellschaft, Sehnsucht vor allem nach Lob und Anerkennung. Später werden wir erst wissen, daß der Film eigentlich von ihm handelt, vom Künstler als gewissermaßen menschenfressendem Monster, der die Liebe der Frau mehr braucht als seine eigenen Gefühle für sie.
Wenn Jennifer Lawrence, die immer von nicht näher definierten Schmerz- oder Panikattacken gequält wird, durch ihr Haus streicht, das auch einen erschreckenden Keller hat und in dessen Wänden sie ein Pulsieren spürt, als hätte man da Menschen eingemauert – dann hat Darren Aronofsky schon ein paar wesentliche Gruselelemente zusammen. Aber er will noch mehr, viel mehr.
 
Das nächste Handlungselement: Hüte Dich vor Gästen, zumal ungebetenen. Erst kommt der alte, hustende, rauchende Mann, der angeblich in der Gegend arbeitet, scheinbar „Bed & Breakfast“ sucht und mit offenen Armen von dem Schriftsteller aufgenommen wird, als er sich als Fan von dessen Werk herausstellt. Ed Harris ist schmal und klapprig geworden, aber immer noch eine Leinwandpräsenz. Dann jedoch: Auftritt Michelle Pfeiffer, als dessen unerwartet auftauchende Ehefrau, zynisch, anmaßend, selbstherrlich. Die einst süße junge Pfeiffer, wunderbare Leinwandheldin anno dazumal, ist gut erhalten in ihren späteren Jahren und dominiert die Szene, sobald sie da ist.
Die junge Frau fühlt sich im eigenen Haus zurecht bedroht – die Unverschämtheit der Gäste, die Vernichtung und Mißachtung ihrer Privatsphäre, die Reduktion der eigenen Person auf Personal, das einfach alles bereitstellen und wegräumen muß, während der Gatte sich nur um die anderen kümmert und sie nicht mehr wahrnimmt.
Das zuerst scheinbar verwünschte Haus wird zum besetzten Haus, zur totalen Hilflosigkeit der Hausherrin, die keine ist. Und wenn dann die erwachsenen Söhne des Paares kommen (gespielt von den Brüdern Domhnall Gleeson und Brian Gleeson), dann macht Aronofskys Drehbuch nicht den ersten Schwung ins Irrwitzige, wenn diese beiden Brüder im Streit um Vaters Testament einander in rabiater Wut prügeln und schließlich einer den anderen erschlägt… Das ist dann der blutig-reale Thriller, der gar nicht zur irreal-surreal-geheimnisvollen „Haus“- und „verstörte junge Frau“-Geschichte paßt.
Die Verstörung geht weiter, denn vieles, was Aronofsky angetippt hat, interessiert ihn nicht mehr, vielmehr überdreht er das Geschehen sukzessive bis zur beabsichtigten Unerträglichkeit. Erst wird das Haus von den rücksichtslosen Besuchern gestürmt, die der Trauerfeier-Party für den Toten (die seine Eltern selbstverständlich hier veranstalten) beiwohnen. Dann bricht die Geschichte wieder ein, um in scheinbarer Ruhe zu verlaufen – unsere Heldin ist schwanger, freut sich auf das Kind. Der beglückte Gatte schreibt sein Buch, hat Riesenerfolg.
 
Und dann läuft die Geschichte endgültig aus dem Ruder, indem alles, was sich begibt, nicht nur in kein Schema, sondern auch in keine Dramaturgie paßt. Wenn die Fans des Autors sein Haus stürmen, völlig außer Rand und Band geraten (so schauerlich, daß man dem Regisseur immerhin zugestehen muß, wie sehr er sein Handwerk versteht, eine wahre Apokalypse auf die Leinwand zu zaubern), das neu geborene Baby im Sinn von „Rosemary’s Baby“ in Stücke reißen – was die Hauptdarstellerin da erleiden muß, ist unvorstellbar und wird von ihr mit Selbstentäußerung gebrüllt und gezuckt. Wobei dann die „Schlußpointe“ noch viel, viel kränker und schlimmer ist… (Das Filmplakat, das die Heldin mit einem blutigen Herz in der Hand zeigt, ist nicht gänzlich aus der Luft gegriffen.)
… dann hat Darren Aronofsky das Stückwerk seiner Ideen wahrlich nicht in den Griff bekommen. Er hat vielfache Anläufe für einen Horrorfilm genommen, bei dem am Ende nichts zu nichts paßt. Mit dem Ergebnis, daß man nicht weiß, was man damit eigentlich anfangen soll. Die blutigen Wände und Dielen des Hauses, die Jennifer Lawrence so verschreckt haben und die sie so verzweifelt geputzt hat … wofür soll das eigentlich gewesen sein?
 
Trailer 1    
 
Trailer 2   
 
Renate Wagner