Schauriger Psychothriller

„Lady Macbeth“ von William Oldroyd

von Renate Wagner

Lady Macbeth
(GB - 2016)

Regie: William Oldroyd
Mit: Florence Pugh. Cosmo Jarvis, Naomi Ackie, Paul Hilton, Christopher Fairbank u.a.
 
Zuerst gesagt: Es ist nicht die Lady Macbeth von William Shakespeare, vielmehr die in der Literatur- und auch Opernwelt bekannte russische Ausgabe von Nikolai Leskow, dessen Novelle wir auch komponiert als die Katerina Ismailowa von Dmitri Schostakowitsch kennen. Und sie spielt, da wir einen britischen Film vor uns haben, auch nicht im Rußland des 19. Jahrhunderts, sondern 1856 in England. Die Voraussetzung bleibt dieselbe – daß eine Frau, um sich aus den Ketten zu befreien, die die Gesellschaft ihr anlegt, auch vor Mord nicht zurückschreckt. Und daß sie sich als stärker erweist als alle Männer.
 
Dazu pinselt der Film von Regisseur William Oldroyd (meist am Theater tätig und folglich besonders für Schauspielerführung zuständig) zuerst das beengende Milieu, das für die Frauen der „besseren Kreise“ noch drückender war als für die armen Leute (die dafür weniger Zeit hatten). Man sieht von Anfang an, was die der Katherine der Florence Pugh von ihrem Ehemann hält: Die 20jährige britische Schauspielerin, ein unbeschriebenes Blatt davor, hoch gerühmt seit diesem Film, ist Angelpunkt des Geschehens. Ihr muß man glauben, wozu sie imstande ist, und ihre düstere Verhaltenheit bestimmt das Geschehen.
Gut, der Gatte (Paul Hilton als Alexander Lester) ist alt und benimmt sich mit Absicht (oder einfach ganz selbstverständlich) widerlich, wie Männer es so lange in der Welt ungestraft tun durften – sowieso kein Interesse an Sex mit ihr, höchstens an aufreizenden Machtspielchen, aber Kontrollzwang, also sperrt man die junge Frau am besten ins Haus ein. Erstickend, demütigend, unerträglich. Dazu kommt der Druck des Schwiegervaters (Christopher Fairbank als Boris Lester), der Nachwuchs verlangt. Dafür wurde sie schließlich „gekauft“ (ihr Vater hat sie tatsächlich für ein Stück Land an den alten Lester „verhandelt“).
 
Viele, zu viele Frauen sind unter solchem Druck einfach still leidend oder sich selbst den Tod gebend zugrunde gegangen. Diese Katherine wehrt sich, und da man für Mord Hilfe braucht, holt sie sich den jungen Arbeiter am Gut des Gatten, als sie einmal unbeobachtet ist: Cosmo Jarvis als Sebastian muß die naive Brutalität des einfachen Mannes ausstrahlen (was dem Ganzen auch einen Hauch von „Lady Chatterley“ verleiht und die Macht zügelloser Sexualität aufzeigt), aber dann auch wie ein wimmerndes Bündel zusammen brechen – denn seine Mithilfe an Morden steckt er gar nicht so leicht weg. Dabei ist es doch Katherine selbst, die den widerlichen Schwiegervater vergiftet – und an den Gatten legt sie auch selbst Hand. Da bietet der Film wirklich harte Szenen, die die Entschlossenheit und Skrupellosigkeit einer Frau zeigen, die sich – wehrt. In der Folge kommt sie nur mit ihren Verbrechen durch, wenn es Sebastian, der seine Mittäterschaft nicht ertragen kann, auch opfert…
Die Gefahr bestünde grundsätzlich darin, daß man der „armen, unterdrückten“ Katherine ihre Gewalttaten verzeiht, aber das kann angesichts der coolen Verbrecherin, zu der sich Florence Pugh so überzeugend wandelt, nicht wirklich geschehen: Schritt für Schritt testet sie aus, was möglich ist, und erweitert skrupellos ihre Macht. Dennoch wird die „Verbrecherin“ nicht entschuldigt, bloß wenn man weiß, wie es dazu kam – aber ein Quentchen Verständnis dafür, daß man sich nicht alles bieten läßt, wird jede Frau im Zuschauerraum des Kinos aufbringen.
 
Der Film zeichnet – wobei Drehbuchautorin Alice Birch (auch in Deutschland, etwa an der Schaubühne, bekannt) einiges über Leskov hinausgeht – Milieu, Charaktere und Tat schlicht im historischen Gewand, und fügt auch noch Figuren ein, die besondere Akzente setzen, etwa die farbige Dienstmagd Anna (stark: Naomi Ackie), die alles ahnt und nicht weiß, was sie tun soll und schließlich an dem Geschehen zerbricht. Auch ist die Geschichte mit den Morden und dem Einzug Sebastians ins Herrenhaus noch nicht zu Ende – Katherine stellen sich weitere Probleme in den Weg, und es ist klar, daß sie den Weg des Mordes weitergehen kann. Und daß sie alles und alle opfert, um selbst zu überleben… so wird’s zum schaurigen Psychothriller. Und was bedeutet am Ende schon Katherines Überleben, wenn rings um sie grauenvoll tabula rasa herrscht?
 
 
 
Renate Wagner