Die Kunst der Antike

Florian Knauß - „Die Kunst der Antike - Meisterwerke der Münchener Antikensammlungen“

von Johannes Vesper

Die Kunst der Antike

Meisterwerke der Münchener
Antikensammlungen
 
Die Keimzelle der Münchener Antikensammlung stammt als Kunstkammer Herzog Albrechts, des V. von Bayern aus dem 16. Jahrhundert. Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz, der München nicht recht mochte und Bayern nach dem Aussterben der bayrischen Wittelsbacher (1777) eigentlich lieber gegen die Niederlande eingetauscht hätte, ergänzte trotzdem die Münchener Sammlungen mit wunderbaren Stücken aus seinem Mannheimer Kabinett. Kronprinz Ludwig I. war nach seinen Italienreisen (erstmalig 1805, damals 18jährig) von der antiken Kunst fasziniert und wollte sie den Bayern „als eine Quelle der edelsten Kunstbildung frei und unentgeltlich zugänglich machen“. So wurden aus Rom und Sizilien antike Vasen und Keramikgefäße gekauft. Auch von der Schwester Napoleons Caroline Murat konnte man Goldschmuck, Bronzen und Terrakotten für München erwerben. Sie hatte während ihrer Zeit als Königin von Neapel (1808-15) entsprechende Grabungen in Unteritalien inauguriert. Und von ihrem Bruder Lucien Bonaparte, der als Prinz von Canino in der südlichen Toskana das etruskische Vulci ausgegraben, kaufte Ludwig I. (reg. 1825-1848) etruskischen Goldschmuck und 51 attische Vasen. Die Geschichte der staatlichen Münchener Antikensammlung von herzoglicher Kunstkammer über das Antiquarium zu Beginn des 19. Jahrhunderts kann im Einzelnen hier nicht wider gegeben werden. Außer Vasen und Goldschmuck wurden auch Kleinplastiken und Gläser erworben. Seit 50 Jahren (1967) ist die Sammlung an der Münchener Akropolis, dem Königsplatz, zu sehen. Das Museum korrespondiert an der Südseite des Königsplatzes mit der gegenüberliegenden Glyptothek Leo von Klenzes. Es war ursprünglich als Ausstellungsgebäude für Kunst und Gewerbe erbaut worden und gilt als das Hauptwerk des klassizistischen Architekten Georg Friedrich Ziebland (1800-1873). Im 2. Weltkrieg erheblich beschädigt, wurde der elegante Bau in den 60er Jahren restauriert und beherbergt seit 1967 die staatlichen Münchener Antikensammlungen. So kommt es, daß die Bavaria mit ihrem Löwen nicht nur an der Theresienwiese den Konsum bayrischen Bieres beim jährlichen Oktoberfest überblickt, sondern am Königsplatz, sozusagen als bayrische Göttin der Kunst, die Mitte der Attika über den acht  majestätischen korinthischen Säulen krönt.
 
Immerhin bildet die antike Vasenmalerei einen Ursprung der europäischen Malerei, weswegen die Vasensammlung Ludwig des l. zunächst im Erdgeschoß der alten Pinakothek aufgestellt wurde. Bei der Betrachtung der antiken Vasen, deren Formenvielfalt die unterschiedlichste Malweisen erfordert, erfahren wir viel über Mythologie, Lebensweise, Begräbniskult, Waffen, Sport, Sitten, Musik, Handwerk, Eß- und Trinkgewohnheiten der alten Welt. Griechenland, Kleinasien und Italien. Nicht nur Götter und Herrscher wurden dargestellt, sondern vor allem sozusagen „die ollen Griechen und Etrusker“ selbst in ihrem Leben und bei ihrem Sterben.
Ohrringe, Nasenpiercing und strähnige Haare, wie sie heutige Zeitgenossen immer noch für modisch halten, kannten die alten Etrusker auch schon. Damals schmückten sich so barbarische Todesdämonen, die die Toten in die Unterwelt zu bringen hatten.
Von den griechischen Kykladen gibt es kleine menschliche Figuren aus dem 3. Jahrtausend, auf das Wesentliche schematisch reduzierte Idole, die im 19. Jahrhundert von der Wissenschaft als „kleine häßliche Scheusale“ abgetan wurden aber moderne Künstler wie Picasso oder Hans Arp o.a. anregten.
 


Trinkschale - Dionysus-Kult, Grieichenland
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Der Dionysoskult galt in der Antike als der erfolgreichste. Gemeinschaftlich trank man im Liegen (Symposion= Gelage) Wein aus flachen eleganten Schalen, in deren riesige Augen die Kumpanen schauten, wenn die Augenschale beim Trinken das Gesicht des Zechers verdeckte. Bei ihrem Kulttrinken wurden Männer zu Satyrn mit Pferdeohren und Pferdeschwänzen. Mit unbefangenem Griff unter die Kleider und erstaunlichen Erektionen machten sie die schönen Mänaden an, die ihrerseits in enthusiastischer Ekstase ihrem Gott des Weines huldigten. Der Zudringlichkeiten ihrer Kultgenossen konnten die sich mit dem Knotenstock dabei aber durchaus erwehren (Spitzamphore des Kleophrades-Malers (490 v.u.Z.). Nach dem gemeinschaftlichen Weintrinken endete damals so ein Symposion auch außerhalb von Kulthandlungen durchaus gelegentlich im Gruppensex (Tyrrhenische Amphore 560 v.u.Z.). Sexismus war wohl noch kein Thema. Wissenschaftliche Symposien heutzutage bieten so etwas nicht mehr und von den klassischen Vergnügungen der VW-Konzernspitze gibt es hoffentlich keine Werke, die eines Tages in einer Kunstsammlung auftauchen könnten. Irgendwie haben sich die Zeiten geändert.
Das Mumienporträt aus der ägyptischen Oase Fayum zeigt den Verstorbenen auch 2000 Jahre nach seinem Tod in einer erstaunlichen Leuchtkraft und Lebensnähe. Paula Modersohn-Becker war von solchen Mumienporträts fasziniert. Auch das bronzene Tintenfaß aus Meroe im heutigen Sudan zeigt, daß in der Antike die Kultur weit über ihre Kernregionen (Griechenland, Italien, Kleinasien) hinausragte.


Tyrrhenische Amphore, 560 v.u.Z 

In München wird seit 2003 durch wechselnde Sonderausstellungen versucht, das Publikum der Faszination der antiken Objekte teilhaftig werden zu lassen. Mit audiovisuellen Medien und Texten an der Wand will man Kenntnisse zu antiker Kunstgeschichte vermitteln, die vor wenigen Jahrzehnten vielleicht noch zum allgemeinen Bildungskanon gehörten. In diesem Zusammenhang legt Florian Knauß, der Direktor der Münchener Antikensammlung, den hier besprochenen Band vor. Sachkundige, unterhaltsame Beiträge über die Geschichte der Sammlungen, über die antike Kunstgeschichte von ägäischer Bronzezeit bis zur Römischen Kaiserzeit über etliche Ausstellungsstücke und die herrlichen Fotografien der antiken Meisterwerke machen neugierig auf den Besuch der international bedeutenden Antikensammlungen. Es gibt viel zu entdecken!
 
(Staatliche Antikensammlungen, Katharina-von-Bora-Straße 10,80333 München, Telefon: +49 (0)89 / 28 92 75 02, Telefax: +49 (0)89 / 28 92 75 16, info@antike-am-koenigsplatz.mwn.de , www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de )
 
Florian Knauß – „Die Kunst der Antike - Meisterwerke der Münchener Antikensammlungen“
© 2017 C.H. Beck Verlag, 287 Seiten, 214 meist farbige Abbildungen, 3 Karten - ISBN 978 3 406 71175.
28.-€
 
Weitere Informationen: www.chbeck.de