Ich gehe wie ein böser Geist
durch die Welt August Zirners „Frankenstein“-Projekt
„Leben und Tod schienen mir wie geistige Fesseln,
die ich als erster durchbrechen sollte, um damit einen
Strom von Licht in unsre dunkle Welt zu gießen.“
Viktor Frankenstein
Der 1818, also vor 200 Jahren erstmals veröffentlichte Roman „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ der englischen Schriftstellerin Mary Shelley erregte großes Aufsehen, trug ihr ewigen Ruhm und dem Buch ungezählte Auflagen in allen Weltsprachen ein. Seiner brisanten Thematik wegen ist es bis und gerade heute ein Bestseller mit immer aktueller werdendem Wissenschaftsbezug. Zahlreiche Verfilmungen, die leider allzu oft durch gewollten puren Grusel-Effekt an der wirklichen Botschaft des Stoffes vorbei gingen, haben ein oberflächliches Bild des ehrgeizigen Wissenschaftlers Viktor Frankenstein und seines Geschöpfs, des aus Leichenteilen künstlich erschaffenen, namenlosen Menschen (the creature) gezeichnet.
Daß es anders geht, beweist der Schauspieler August Zirner mit markanter Stimme und einer packenden, aufs Wesentliche gekürzten theatralisch Lesung, musikalisch begleitet und unterlegt vom Spardosen-Terzett und mit eigenen brillanten Passagen auf der Querflöte, an der er sich ebenfalls als virtuoser Künstler beweist.
Die Geschichte kennen Sie vermutlich: Viktor Frankenstein, der aufstrebende junge Wissenschaftler arbeitet an der Universität von Ingolstadt wie besessen und ohne Skrupel daran, künstliches Leben zu erschaffen. Frankenstein vergißt über seine Arbeit nicht nur seine zukünftige Braut, sondern unterschätzt auch die dramatischen Folgen seines Experiments, das zwangsläufig in einer alle in einen Abgrund reißenden Tragödie enden muß. Das gegen jede Vernunft und Ethik erschaffene Wesen entwickelt sich für Frankenstein zu genau dem schrecklichen Alptraum, in dem es selbst lebt.
„Ich besaß jetzt die Macht, Materie zu beleben.“
Viktor Frankenstein
August Zirner geht besonnen mit Thema, Sprache und Textauswahl um. Gemeinsam mit Rainer Lipski (E-Piano), Kai Struwe (E-Bass, Electronics) und Mickey Neher hat er ein Konzept entwickelt, das die unheimliche Erzählung sprachlich gedämpft, beinahe unterkühlt, musikalisch jedoch gewaltig verpackt. Zirner gibt dem Roman nicht nur die Form, die, wie ich mir vorstellen könnte, möglicherweise Mary Shelly genau so vorschwebte, er gibt ihm durch seine Dramaturgie und eindringliche Interpretation neuen, mit jedem Wort pulsierenden Wert. Sein wie erwähnt brillantes Flötenspiel erinnert dabei in seinen Ansätzen und seiner Atemlosigkeit der schnellen Passagen an den großen Herbie Mann, in seiner Lyrik an Thijs van Leer.
August Zirners „Frankenstein“-Projekt ist in seiner Gesamtheit und durch die kongeniale Zusammenarbeit mit den Spardosen-Terzett ein literarisch-musikalischer Genuß der Extra-Klasse. Es bekommt mit Fug und Recht unsere Auszeichnung, den Musenkuß.
August Zirner & Das Spardosen-Terzett – „Frankenstein. Eine theatralisch-musikalische Lesung“
© 2018 GLM Music - Eine Koproduktion von GLM Music und Bayerischen Rundfunk.
August Zirner (Erzähler, Querflöte) - Rainer Lipski (E-Piano) - Kai Struwe (E-Bass, Electronics) - Mickey Neher (Schlagwerk)
1. Ich bin Frankenstein - 2. Bach - 3. Kindheit - 4. Kindheit (musikalisch) - 5. Traum vom Ruhm - 6. Tod der Mutter - 7. Ingolstadt - 8. Ich besaß jetzt die Macht, Materie zu beleben - 9. Unhold - 10. Etwa zwei Jahre lang... - 11. Traum von Elisabeth - 12. Komm nach Hause – 13. Meine Reise - 14. Elisabeth - 15. Verantwortung - 16. Tod auf dem Schafott - 17. Sie hatte ihre Ruhe gefunden - 18. Bau mir eine Frau - 19. Was sollte ich tun - 20. Tretmühle - 21. Ich werde dich in deiner Hochzeitsnacht heimsuchen - 22. Hochzeitsnacht - 23. Bach, Contrapunctus 1
1 CD - Gesamtzeit: 1:18:06
Weitere Informationen: www.glm.de
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