Battle- und Gangsta-Rap:

Geschäftsmodell Menschenverachtung

von Ulli Tückmantel

Foto © Anna Schwartz
Battle- und Gangsta-Rap:
Geschäftsmodell Menschenverachtung
 
Von Ulli Tückmantel
 
Die Antisemitismus-Diskussion um den „Echo“ greift zu kurz. Unter der Tarnkappe der Kunst kommerzialisiert die Musikbranche seit Jahren eine jugendgefährdende Verbrecher-Folklore – alle gucken zu. Und hören weg.
 
Berlin. Als Marius Müller-Westernhagen sich am Dienstag seinem Freund und Kollegen Klaus Voormann, dem „fünften Beatle“, anschloß und dem Bundesverband der Musikindustrie (BVMI) seine acht „Echos“ vor die Füße knallte, tat er das nicht nur wegen der Textzeilen „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ und „Mache wieder mal ‘nen Holocaust, komm’ an mit dem Molotow“, trotz derer die beiden Rapper Kollegah und Farid Bang den angeblich wichtigsten deutschen Musikpreis für ihr Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ erhalten hatten. Der 69-jährige Düsseldorfer erklärte in seiner Stellungnahme bei Facebook auch: „Eine Industrie, die ohne moralische und ethische Bedenken Menschen mit rassistischen, sexistischen und gewaltverherrlichenden Positionen nicht nur toleriert, sondern unter Vertrag nimmt und auch noch auszeichnet, ist skrupellos und korrupt.“
 
Es ist genau diese Diskussion, die der (Noch-)BVMI-Vorstandsvorsitzende Florian Drücke der gebeutelten Musikbranche mit seiner nachgeschobenen Entschuldigungstournee gerne ersparen würde. Zu spät. „Daß Songs mit Texten, die menschenverachtende und herabwürdigende Passagen enthalten, von der Musikindustrie ausgezeichnet werden, offenbart die Fragwürdigkeit eines Preises, der nur auf Erfolg an der Kasse setzt“, so Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am Dienstag gegenüber der Berliner Morgenpost. „Beschämend. Und noch beschämender sind dabei die Erklärungen der Echo-Verleiher. Wenn der Kommerz über der Moral steht“, hatte NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) bereits am Wochenende getwittert.
 
Umsatz ist von 2,7 auf rund 1,6 Milliarden Euro gesunken
Seit seinem besten Branchen-Jahr 1997 ist der deutsche Umsatz der Platten-Firmen von knapp 2,7 auf rund 1,6 Milliarden Euro (2016) gesunken. Statt 2,3 verdient die Musikbranche heute weniger als eine Milliarde mit CD-Verkäufen, der digitale Umsatzanteil liegt bereits bei 38 Prozent. Als der brutale Absturz der CD-Verkäufe um das Jahr 2001 begann, hätten die Plattenbosse auch Marschmusik verkauft, um sich zu retten. Statt dessen versprach der Soundtrack asozialer Krimineller fette Gewinne, vorausgesetzt, die Jung-Verbrecher blieben lange genug für ein zweites Album in Freiheit. Spätestens 2003 löste in Deutschland der sogenannte „Battle- und Gangsta-Rap“ den bis dahin vorherrschenden Doppelhaushälften-Hip-Hop ab, bei dem niedliche Bürger-Kinder aus Frankfurt und Stuttgart wie „Die Fantastischen Vier“, das Rödelheim Hartreim Projekt von Moses Pelham oder Sabrina Setlur grimmig dreingeblickt und den Unterschicht-Sound amerikanischer Ghetto-Kids imitiert hatten.

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Der Kommentar erschien am 18. April 2018 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.