Als wäre es gestern gewesen

„Toast Hawaii“ - Die 50er/60er Show aus Oberhausen

von Martin Hagemeyer

Polka Dots & Petticoats - Foto © Klaus Schilda

Als wäre es gestern gewesen
 
„Toast Hawaii“ - Die 50er/60er Show aus Oberhausen
bringt in Remscheid staubigen Charme zum Klingen
Eine Holger Hagemeyer Produktion.
 
Buch und Regie: Thomas SchiffmannBühnenbild: Holger Hagemeyer
Besetzung: Maria Sperlich: Carolin Pommert – Vater Sperlich: Alexander Palm – Mutter Sperlich: Corinna Brendel – Richard Spengler – Manuel Jerabeck – Billie: Sabrina Pandza – Betty: Anna Kniel – Mona: Nina Barton – Trixie: Dorit Passiep – Wolfgang: Thomas Schiffmann – Frau Antje: Julia Jochmann.
 
Retro ist in, das hört man oft. Nun gehört zu diesem Wort wohl, wo es denn paßt, eine gehörige Portion Distanz; zur zeitlichen kommt gern Ironie dazu. Retro jedenfalls ist dann „Toast Hawaii“ sicher nicht, die 50er-/60er-Show vom Oberhausener Theater an der Niebuhrg, die jetzt nach dem Erfolg der 70er-Jahre-Revue „Schlager lügen nicht“ in Remscheid Station machte. Musikalisch und weithin ohne Brechung kam der Ausflug in Nachkrieg und Wirtschaftswunder daher – als wäre es gestern gewesen.
 
Die musikalische Revue mit Rahmenhandlung tourt durchs Land, und offenbar zielt sie weniger aufs Neuentdecken ab als auf Wiedererkennung. Das klappt sogar bei Nachgeborenen: „Liebeskummer lohnt sich nicht“, „ Schuld war nur der Bossa Nova“ oder „Ganz Paris träumt von der Liebe“ sind Hits der unverwüstlichen Sorte. Verpackt sind sie heute in eine Geschichte, gespielt von stilecht gekleideten Darstellern, wenn sie nicht singen: Maria (Carolin Pommert) hat sich in Richard (Alexander Palm) verknallt, Lehrling im Laden ihres Vaters (Manuel Jerabeck). Dem gefällt zwar der Bursche, aber nicht ihr Interesse an ihm, und ihr Berufswunsch erst recht nicht: Sängerin.


BRAVO! - Foto © Klaus Schilda

Genug Anlässe, zum Liedgut zu geleiten. Mal bemüht: Vater füttert Tochter mit Schokolade – sie quengelt: „Aber ich will doch keine...“, und schon dräut Trude Herr (die man in die Zeit gar nicht recht einordnen mochte). Mal schön und beschwingt: Die Jugend kommt sich näher und stimmt als Peter Kraus und Conny herzig „Sag mir was du denkst“ an. „Die Froeboess“ natürlich, statt anderswo „die Francis“ - ein Running Gag des Abends. Ein anderer ist „Frau Antje“ als Werbefigur der treudoofen Art, die bei ihrer Käsewerbung ständig unterbrochen wird. Und Werbung wird auch sonst oft eingestreut – mit den Original-Texten von HB bis Dr. Oetker, Sarotti und manchem Haushaltsmittelchen.
Distanz fällt aus, und das heißt auch: Wer die Fünfziger, Sechziger als Zeit von Kleingeist und Verstaubtheit gespeichert hätte, fände dazu im Stück praktisch nirgends einen kritischen Akzent. Vielleicht weil reiner Spaß natürlich auch mal sein darf. Vielleicht auch, weil alle wissen, daß die Zeit vorbei ist, und womöglich zum Glück. Wobei Ted Herolds Rock'n'Roll ja eine andere Richtung ging – und selbst Staub und Bevormundung heute ihren Charme haben mögen, wie bei der bekannten „Kleinen Jane“ in der „Dancing Bar“, in die sie natürlich „geführt wird“.
„Toast Hawaii“ ist eher Double-Show als Parodie: Wenn Thomas Schiffmann (nun ist er auch der Regisseur) als befrackter Entertainer singt, dann so fern von jeder Meta-Ebene, als wäre er wirklich Peter - nicht der Kraus, bestimmt aber der Frankenfeld … oder war's der Alexander? Da kommt man heute durcheinander.
 

Frau Antje - Foto © Klaus Schilda

Oft witzig wird der Mix von Hits und Story: Marias Vater, eher bieder als tyrannisch, legt im fliegenden Wechsel vom Tresen noch im Kittel krachenden Hüftschwung aufs Parkett. Zu „Zwei kleine Italiener“ wiegen sich im Hintergrund die Mädchen mit angeklebtem Schnurrbart, und die ja schon ikonischen Schallplatten werden gern mal halbiert, um in holder Hand zum Fächer zu mutieren. Da wird's dann doch noch zum Zitat statt bloßer Wiederholung.
 
Weitere Informationen: www.niebuhrg.de

Redaktion: Frank Becker