Wien - Akademietheater des Burgtheaters:

Klaus Maria Brandauer liest Wolfgang Amadeus Mozart

von Renate Wagner

Klaus Maria Brandauer - Foto © Renate Wagner
Wien - Akademietheater des Burgtheaters:
Klaus Maria Brandauer liest
Wolfgang Amadeus Mozart

Festvorstellung: 19. Juni 2018
 
Klaus Maria Brandauer hat sich am Wiener Burgtheater vielfach mit Leseabenden eine scheinbare Präsenz gegeben und dabei immer wieder über die Tatsache hinweggeschwindelt, daß er am an diesem Haus gar nicht sooo viel gespielt hat. Ja, zu Beginn – Schnitzler (Fritz), Schiller (Carlos, Ferdinand), Lessing (Prinz in „Emilia Galotti“), unvergessen sein Tartuffe, sein Hamlet. Dann große Pausen, der Cyrano, noch größere Pause, der Nathan, der ein Reinfall war, zuletzt Krapp (zum 70er) und König Lear, beides unter Peter Stein. Nun, zum 75er, weil es ja nicht immer ganz einfach mit ihm ist, wie Burg-Chefin Karin Bergmann meinte, wieder ein Leseabend. Aber was für einer!
 
Der erste Teil des Abends bestand darin, daß Brandauer ein doppeltes Fest bescherte – dem Publikum und Mozart. Im zweiten bekam er dann sein Fest… samt Thron. Aber davon später.
Wer ein bißchen von W. A. Mozart weiß, dem ist der Abbé Joseph Bullinger ein Begriff, ist er es doch, an den Mozart aus Paris den berühmten, unendlich ergreifenden Brief nach dem Tod der Mutter geschrieben hat – dem Vater konnte er es noch nicht sagen, da gab es in seinem Inneren eine Sperre, aber den guten Freund der Familie hat er sich anvertraut, mit der (expressiv verbis unausgesprochenen, aber heimlich gewünschten) Hoffnung, daß dieser ihm abnehmen würde, dem Vater und der Schwester die entsetzliche Nachricht zu überbringen…
Dieser Brief an Bullinger ist das Zentrum von Brandauers Abend, den er nicht zum ersten Mal gibt und den er zu seinem ganz besonderen Meisterstück ausgefeilt hat. Bullingers Bericht aus der Nähe (er ging in Salzburg im Hause Mozart aus und ein) über Wolfgangs Reise mit der Mutter nach München, Augsburg, Mannheim und Paris, wo Anna Maria Mozart dann starb. Diese über ein Jahr währende Abwesenheit (September 1777 bis Jänner 1779), in der er in Augsburg mit dem Bäsle scherzte, sich in Mannheim in Aloysia Weber verliebte, in Paris auch keine Stellung fand und nicht das erhoffte große Geld verdiente, war ein emotionales Auf und Ab, das Mozart erwachsen werden ließ und ihn von dem allmächtigen Vater ablöste. In die Stationen dieser Reise sind Briefe an den Vater, von dem Vater eingearbeitet, und Brandauer gibt es nicht billig – nur die Zugabe ist dann einer jener berühmten „Bäsle“-Briefe, an denen weniger die Zotigkeit verwundert, als vielmehr das Wirrwarr, das in diesem Mozart-Kopf herrschte… und das sich dann in so wundervoll klarer Musik ausdrückte.
Diese wurde an dem Brandauer-Abend im Akademietheater von dem GrauSchumacher Piano Duo an zwei Klavieren realisiert, wunderbar, wie die Herren einfach auf Blickkontakt zur völligen Einheit verschmelzen. Und wunderbar, wie uneitel Brandauer den Abend gestaltete, immer in Bezug auf die Person, die er jeweils las, ohne Mätzchen, selbst bei Mozarts irrwitzigsten Formulierungen nie nach Pointe schielend. Größe besteht darin, sich in den Dienst einer großen Sache zu stellen, und Mozart ist wohl eine solche
 
Der zweite Teil des Abends war dann das Fest für Brandauer, nicht zum ersten Mal schleppte man dafür den großen „Thron“ herbei, in den er sich nie setzte, höchstens lümmelte (das wird er vermutlich auch noch mit 100 tun…), und wo dann Musik und die Kollegen als Gratulanten aufmarschierten.
Brandauer erinnerte daran, daß er als noch nicht zehnjähriger Klaus Steng auf die Frage, was er einmal beruflich machen wollte, antwortete: „Ich gehe ans Burgtheater“ – und ganz Bad Aussee, seine steirische Heimatgemeinde, hat über den Knirps gelacht. Nun ist er seit 1972 am Haus, als er in „Bacchus“ von Cocteau erstmals diese Bretter betrat, „und wenn ich gelegentlich nicht so oft hier aufgetreten bin“, formulierte er, „das kann man ja noch ändern.“
Da Karin Bergmann, die sich noch daran erinnerte, von Brandauer irgendwann zur Schnecke gemacht worden zu sein, dafür nicht mehr wirklich Zeit hat, kann man nur hoffen, daß Martin Kusej die Botschaft der Brandauer’schen Bereitwilligkeit erhält. Der bekannte sich schließlich vollinhaltlich zum Burgtheater: „Ich gehöre sehr gerne hier dazu.“
 
Renate Wagner