Stylish - und mächtig überraschend...

„Das krumme Haus“ von Gilles Paquet-Brenner

von Renate Wagner

Das krumme Haus
(Crooked House GB 2017)

Regie: Gilles Paquet-Brenner
Mit: Max Irons, Glenn Close, Terence Stamp, Christina Hendricks, Honor Kneafsey u.a.
 
Die Situation könnte nicht typischer Agatha Christie sein: ein luxuriöses englisches Landhaus, eine zerstrittene Familie, eine Riesenerbschaft im Hintergrund. Was fehlt? Entweder Miß Marple oder Hercule Poirot, um den Mord – die Morde! -, um die es geht, zu lösen. Stattdessen bekommt der nette junge Anwalt Charles Hayward (Max Irons) Besuch von seiner hübschen Ex-Freundin Sophia Leonides (Stefanie Martini), die ihm klipp und klar mitteilt: Großvater wurde ermordet. Dazu die Einladung, sich bei der „sehr alten Familie“ der Leonides einzuquartieren und zu sehen, ob er nicht beweisen kann, daß der alte Herr keines natürlichen Todes gestorben sei, wie behauptet wird…
 
Dann lernen wir sie also kennen: die junge Frau (Christina Hendricks) aus dem Las Vegas-Showbusiness, die der Alte geheiratet hat und die von allen Familienmitgliedern inbrünstig gehaßt wird. Schließlich kann diese Brenda bloß eine mörderische Erbschleicherin sein. Wenn man es nur beweisen könnte!
Da sind zwei Söhne des alten Leonides, Snobs bis in die Fingerspitzen („Wer will schon für Geld arbeiten?“), mit ihren Gattinnen, die sich beim Famillien-Dinner gehässige Wortgefechte liefern und sich gegenseitig beschuldigen. Die obligate Alte Jungfer, die sich in vielen Familien findet und die in Glenn Close (erster Auftritt in Reitkostüm mit Gewehr) sehr interessante, souveräne Kontur gewinnt. Und auch naseweise Kinder sind beliebt, etwa Sophias Schwester Josephine (Honor Kneafsey), die stolz darauf ist, überall zu lauschen, herumzuschnüffeln und einfach „alles“ über diese Familie zu wissen.
Jetzt ist es Charles, der seinerseits zu schnüffeln beginnt und sich alle die vorwiegend unsympathischen Familienmitglieder hernimmt, die alle guten Grund gehabt hätten, den Patriarchen, den absolut keiner leiden konnte, zu ermorden: Es geht nämlich um die Aufteilung eines Riesenvermögens, und wenn es stimmt, daß auf dem letztem Testament die Unterschrift fehlt, wären alle Fragen offen. Wenn sich nicht noch ein Zettel im Grab findet, bekommt die Witwe alles – darum muß man sie loswerden. Und tatsächlich, sie wird in Handschellen abgeführt. Aber? Auch ein ehrenwerter Polizist (Terence Stamp als Chief Inspector Taverner) hat nicht den wahren Durchblick. Und wir schon gar nicht. Wie es in einem Krimi sein soll.
 
Und das wäre, mit dem schönen BBC Hautgout etwa von „Downtown Abbey“, der typische englische Krimi (mit Darstellen, von denen wir wenige kennen), in dem absolut jeder als Täter in Frage kommt und den man einfach gerne sieht, ohne allzu viel zu erwarten, auch wenn er von Gilles Paquet-Brenner angehm stylish inszeniert ist.
Aber das „Krumme Haus“ war, wie man hört, das Lieblingswerk seiner eigenen Schöpferin – vielleicht, weil Lady Agatha hier bei der Präsentation des „Täters“ (und es gibt ein paar Morde) so kühn war wie nie zuvor. Das erklärt aber vielleicht auch, warum gerade dieses Buch absolut nicht zu ihren bekanntesten zählt – die Lösung ist nämlich schockhaft. Sie verdichtet sich zu den Klängen von Tschaikowskys Klavierkonzert zu einem wahrhaftig spektakulären Showdown. Und wenn man den Roman nicht kennt, wird man tatsächlich überrascht sein!
 
Trailer   
 
Renate Wagner