Eine Schulze-Schnapsidee zur Zigarette gefällig?

Ein Kommentar

von Ulli Tückmantel

Foto © Anna Schwartz
Eine Schulze-Schnapsidee
zur Zigarette gefällig?
 
Ein Kommentar von Ulli Tückmantel
 
Endlich hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ein Thema gefunden, bei der ihr der Applaus von deutlich mehr als 15 Prozent der Wähler sicher wäre: Die Tabakindustrie soll für die Entfernung von Zigarettenkippen zahlen!
Weil weggeworfene Zigarettenkippen viele Menschen aufregen, wird wohl niemand Ministerin Schulze vorhalten, daß die Idee weder neu noch von ihr ist. In Frankreich wird das Thema schon lange ernsthaft diskutiert, Präsident Emmanuel Macron will sich derzeit lediglich keine neue Diskussion um eine neue Steuer antun, um die „gelben Westen“ nicht weiter zu provozieren.
     Keine Frage: Zigarettenkippen sind ein echtes Problem, nicht nur in französischen Städten. In Paris beträgt das Bußgeld für eine weggeworfene Zigarette inzwischen 68 Euro. Deutsche Städte, die ihre Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten selbst festsetzen, verlangen zwischen 10 (Düsseldorf) und 55 Euro (München). Alle stellen einhellig fest, daß sich das Problem erheblich vergrößert hat, seit in der Gastronomie nahezu überall Raucher vor die Tür geschickt werden. Die Weltgesundheitsorganisation hat 2017 in einer Studie festgestellt, daß 30 bis 40 Prozent aller Abfälle, die in Städten und an Stränden aufgesammelt werden, Zigarettenkippen sind.
     Und das ist keineswegs nur ein Problem für das Auge: Das optisch sichtbarste Abfallstück, der Filter, ist daran noch das harmloseste; das Zelluloseazetat zerfällt immerhin nach ein paar Jahren. Die Tabak- und Papierreste jedoch enthalten einen regelrechten Giftcocktail, der mit dem Nervengift Nikotin, Pestizid-Rückständen, allerlei krebserregenden Stoffen und selbst Schwermetallen die Umwelt und vor allem das Wasser belastet. Frankreich geht davon aus, dass rund die Hälfte aller (legal versteuerten) Zigaretten als Kippe auf dem Boden landet; das wären im Nachbarland rund 27 Milliarden Kippen. In Deutschland dürfte es nicht viel besser sein.
     Insofern spricht Svenja Schulze ein echtes Problem an. Nur ist erstens die vermeintliche „Lösung“ keine: Da weder die Herstellung noch das in den Handel bringen des Produkts „Zigarette“ verboten sind, dürfte eine ausschließlich auf Zigaretten gemünzte Sauberkeitssteuer kaum durchsetzbar sein. Es gibt in den Städten ausreichende Sanktionen gegen unbelehrbare Raucher, die Kommunen müßten sie nur durchsetzen. Wenn die Ordnungsdienste überfordert sind, kann die Lösung nicht lauten, eine einzelne Industrie für die Kehrmaschinen zahlen zu lassen.
     Das Ärgerliche an der Nebelkerze der Ministerin ist, dass sie davon ablenken soll, daß Svenja Schulze in Brüssel weniger energisch in Sachen Plastikverbot und Abgaswerten auftritt. Stattdessen macht sie ein neues Faß mit Schnapsideen auf.
 
 
Der Kommentar erschien am 19. Dezember 2018 in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.