Zur Gender-Problematik
in der Sprache (1990)
Heute so aktuell wie je, meint der Redakteur.
Ich möchte mich an jene wenden, die sich in der Sprache (der Muttersprache gar) so gefangen, entrechtet und mißachtet fühlen, daß sie jedem zweiten Substantiv oder Pronomen „was anhängen“ müssen - und das nicht nur ideologisch, sondern sprachsächlich. Zwanghaft, wie‘s oft scheint: als würden sie erst dann zum vollwertigen, zufriedenen Menschen, wenn Mann (?) ihnen was zusetzt, anfügt, zusteckt, beifügt (?!) - was auch tiefenpsychologisch zu verstehen ist.
Als wäre es nicht ein Grundprinzip jeder Sprache (und was wäre der Dokumentar ohne es?), aus Ökonomieerwägungen heraus das jeweilig Individuelle unter bestimmten Gesichtspunkten in Klassen zu ordnen. Nebensächliches (!) dabei unter den Tisch fallen lassend. Man würde den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr kennen, die es alle zu bezeichnen gälte (weshalb man auch nicht von der „Haselnußsträuchin“ spricht, obwohl diese Unterscheidung botanisch durchaus gerechtfertigt wäre - aus Ertragserwägungen nämlich).
Weicht man von dem Prinzip der vereinfachenden Klassifizierung ab, so immer aus funktionalen Gründen. Sprachlich schafft man Unterklassen, um sie tatkräftig zu handhaben - und gerade das Merkmal, welches unter Abweichung von der ökonomischsten Bezeichnung hervorgehoben wird, verrät zugleich das Handlungsinteresse des Sprechers.
Also, alle „LeserInnen“ vorgetreten !
Mal ernsthaft: Würde es die Verständlichkeit (und nur darauf sollte es uns ankommen) eines Straßenschildes an einem Fußgängerübergang wirklich erhöhen, wenn dem Piktogramm - in Straßenkindermanier - Geschlechtsmerkmale (und wenn, dann bitte beiderlei!?) „zugefügt“ würden?
Solange die Menschheit über solche Kindereien nachdenkt und streitet, wird sie garantiert „überfahren“ werden und auf der Strecke bleiben.
Nach dem Genus des Täters würde ich nicht mehr fragen.
Marduk Buscher
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