Die mittelalterlichen Facetten Afrikas werden ausgeleuchtet

Francois-Xavier Fauvelle – „Das Goldene Rhinozeros“

von Johannes Vesper

Das goldene Rhinozeros -
Afrika im Mittelalter
 
Der französische Begründer der Geschichte des Alten Afrika, Raymond Mauny, sprach bezüglich Afrikas in der Zeit von 800 bis ca. 1500 von „dunklen Jahrhunderten“, vielleicht in Analogie zum „finsteren Mittelalter“ Europas. Das Interesse Europas am afrikanischen Mittelalter hielt sich immer in Grenzen, während an der Antike mit den alten Ägypten und schwarzen Pharaonen, am alten Nubien und seiner Königsstadt Naga hingegen seit Napoleons Ägypten-Feldzug und den großen Expeditionen in dessen Gefolge lebhaftes Interesse bestand. Ziemlich gut bekannt ist dank antiker Geschichtsschreibung auch das, was die alten Römer in Nordafrika so getrieben haben. Dank Ludwig Froebenius kennen wir auch die herrlichen Fels- und Höhlenmalereien aus der prähistorischen Vorzeit Afrikas. Und nachdem Afrika in der Neuzeit dem Kolonialismus und systematischem Sklavenhandel unterworfen wurde, haben europäische Forschungen und Berichte der weißen Entdecker das Bild dieses Kontinents geprägt. Heutzutage berichten Weltbank, UNO, WHO, Oxfam und alle die anderen über Afrika und seine Probleme.
     Aber über die Zeit vom 8. Jahrhundert bis zum Ende des 15 Jahrhunderts gibt es wenig. Der Autor versucht, diese verlorene Zeit wieder zu entdecken. Die Quellen bezüglich des afrikanischen Mittelalters lassen es nicht zu, eine Geschichte des gesamten Kontinents zu schreiben. Aber es wurde gereist, es gab Handel und die islamische Mission. Es gab also einen Austausch zwischen Afrika und dem Mittelmeerraum und Europa. Nur berichteten die Afrikareisenden der damaligen Zeit leider seltener über das, was sie tatsächlich gesehen als vielmehr darüber, was sie gehört oder gelesen hatten. Wie weit die heute bekannten, mehr oder weniger erhaltenen historischen Stätten und Ausgrabungsorte von den damals reisenden Diplomaten, Geographen, Imamen, Händlern bei der insgesamt doch dürftigen und unsicheren Quellenlage adäquat geschildert wurden, bleibt natürlich weitgehend unklar.
 

Alt-Dongola, Heutiger Zustand der Hauptstadt des mittelalterlichen nubisch-christlichen Reiches von Makuria (Sudan).
Von der ehemaligen Königsstadt sind nur Reste erhalten
- Foto © Johannes Vesper
 
     Immerhin gibt es Reiseberichte eines chinesischen Offiziers aus dem 8. Jahrhundert, der ein Land besucht und beschrieben hat, in dem die Menschen schwarz sind und dem Islam oder auch dem Christentum anhängen und wo Durchfall mit Schädelschnitten geheilt wurde. Vielleicht hat er Abessinien beschrieben? Jedenfalls wohl eine Region des Horns von Afrika. Und für die Zeit bis zum 14. Jahrhundert gibt es etliche chinesische Quellen zu Afrika. Fand man doch in Simbabwe eine im 15. Jahrhundert hergestellte chinesische Porzellanvase. Also die Chinesen waren wohl schon damals aktiv und sichern sich nicht erst heute die Rohstoffe und Absatzmärkte Afrikas. Schon vor dem Beginn der Kolonialisierung um 1500 wurden in Afrika Goldvorkommen ausgebeutet und zwar in Westafrika (Mali, Senegal), in Abessinien und im Königreich Groß-Simbabwe. In Aoudaghost, einer Metropole des 10. Jahrhunderts im heutigen Mauretanien wurde ein Scheck, jedenfalls eine Zahlungsanweisung, über 42.000 Dinare ausgestellt und in Sidschilmasa, einer Handelsdrehscheibe an der Ostgrenze Marokkos (südlich von Erfoud), ausgezahlt. Man tauschte quer und längs durch die Sahara Gold und Sklaven aus dem Süden gegen Kupfer aus dem Norden sowie Salz von der Küste und produzierte auch Schmuck und Geschirr. Das läßt sich aus Grabungen wie aus mittelalterlichen Treibgutfunden in der Sahara erschließen. Für die Mittelmeeranrainer blieb die Herkunft des Goldes unklar. Mitte des 14. Jahrhunderts glaubte man in Kairo: „Man erntet zwei Sorten Gold, eine im Frühjahr mit Blättern wie Straußgras…, die andere ganzjährig als goldene Wurzeln“ also wie Karotten. Das alles wissen wir von Abu Ubayd al-Bakrî, Geograph, Philologe, Trinker, Bücherfreund des 11. Jahrhunderts und seinem Buch über Königreiche und Wege in der Sahelzone (Erstausgabe 1068, Nachdruck 1993 Frankfurt/Main). Wie der stumme Handel mit Gold zwischen Völkern, die unterschiedliche Sprachen sprechen, tatsächlich durch die Sahara hindurch funktioniert hat, darüber wird herrlich und quellenkritisch spekuliert. Fasziniert war man damals vom Gold, auch wenn der Genuß von mit Blattgold überzogenen Steaks, den heutzutage reiche Fußballmillionäre schätzen, nicht berichtet wurde, aber doch von ins Haar schöner Frauen geflochtenen Goldfäden und „einem dreißig Pfund schweren Block aus Gold, …weder in einen Barren gegossen, noch mit einem Werkzeug geschaffen“, an den in der sagenhaften Königsstadt Ghana das Pferd des Königs angepflockt wurde. War das eine Marketing-Idee um den Fernhandel anzulocken? Ausgrabungen des letzten Jahrhunderts legen nahe, das die große Ausgrabungsstätte Kumbi Saleh an der Südgrenze Mauretaniens der mittelalterlichen Kapitale Ghana entspricht. Kein Wunder, daß sich bei der Faszination des Goldes in Westafrika eine britische Kolonie dort bei ihrer Unabhängigkeit im Jahre 1957 „Goldküste“ benannte. Der heutige Staat Ghana hat mit der Goldstadt des afrikanischen Mittelalters Ghana aber nicht zu tun.
 

Aksum, Die berühmten monolithischen Stelen - Foto © Johannes Vesper
 
     Mehrere Kapitel handeln von Abessinien, von der Wiege des dortigen Christentums, von der antiken Stadt Aksum mit ihren rätselhaften monolithischen Stelen und dem „Thron“ mit seinen Inschriften. Was Jerusalem für die Juden und Rom für die Christen ist Aksum für äthiopische Christen. Auch über Lalibela und seine elf aus den Felsen monolithisch herausgehauenen Kirchen wird berichtet. Ob man nach dem Fall des christlichen Jerusalem 1187 das Heilige Land kopieren und den Pilgerstrom umlenken wollte? Aber solche Felskirchen gibt es in Äthiopien viele, allein in Tigre ca. 150. Möglicherweise wurden einige Gebäude auch primär gar nicht als Kirchen sondern als Häuser und Paläste gebaut. Immerhin war Lalibela im hohen Mittelalter die Hauptstadt von Äthiopien.
 Und was hat es nun mit dem goldenen Rhinozeros, dem Titel des vorliegenden Werkes auf sich? Die Geschichte und Bedeutung seines Fundes auf dem Mapungubwe-Hügel im Nordosten der Republik Südafrika fasziniert und kann hier nur kurz wiedergegeben werden. Jedenfalls wurde der Ort auf abenteuerliche Weise identifiziert, bevor in jahrzehntelangen Ausgrabungen der dortigen Siedlungen des 13. Jahrhunderts u.a. Gegenstände und Schmuckstücke aus Gold gefunden wurden.
 

Lalibela, Kirche Bet Giyorgis - Foto © Johannes Vesper

Mapungubwe liegt am Limpopo, einem Fluß, über den das im Bergbau der Umgebung gefundene Gold zur Küste transportiert werden konnte. Bei den Ausgrabungen fanden sich auch tausende, winzige Glasflußperlen (mit Metalloxiden gefärbtes, meist undurchsichtiges Glas, das seit der Antike zur Nachahmung edler Steine verwand wurde), die, so wird vermutet, am ehesten aus Südindien stammen. Handelte und tauschte also das Königreich Mapungubwe u.a. Elefantenelfenbein, Gold (?) mit Partnern am indischen Ozean? Für die Anhänger der Apartheid in Südafrika war der Fund dieses kleinen goldenen Rhinozeros ein riesiges Problem: Sollten etwa die Vorfahren der in Reservate und Townships gesperrten Bantus eine solche autochthone Zivilisation hervorgebracht haben? Die Skulptur selbst war wohl eine mit Blattgold patinierte Holzfigur. Sie hat nur ein einziges Horn wie das indische Panzernashorn oder auch das Java-Nashorn, nicht wie das afrikanische Nashorn zwei. Wurde diese kleine Figur vielleicht nicht in Mapungubwe angefertigt?
 
     In 34 kurzweiligen und spannenden Kapiteln werden die mittelalterlichen Facetten Afrikas ausgeleuchtet und in den Anmerkungen reiche Literaturhinweise geboten. Etliche Abbildungen illustrieren den Text dieses aufwendig gestalteten Sachbuches, welches nach seiner Erstveröffentlichung 2017 in Französisch inzwischen in koreanischer, englischer und deutscher Übersetzung vorliegt. Das Werk ist für denjenigen von Interesse, der über Strand, wilde Tiere, Fotosafaris und Golfresorts hinaus Afrika liebt und die Faszination des Kontinents historisch erweitern möchte.
 
Francois-Xavier Fauvelle – „Das Goldene Rhinozeros – Afrika im Mittelalter“
© 2017 Verlag C.H. Beck, 319 Seiten, gebunden, ISBN: 9783406713798,
29,95 € / e-Book 24,99 €
Titel der Originalausgabe: Le Rhinocéros d´or. Histoires du Moeyen Âge africain (alma Éditeur, Paris 2013)
Weitere Informationen: www.chbeck.de
 
Alle Fotos im Text von Johannes Vesper