Eine humorvoll-kritische Lebens-Bilanz

Fritz Muliar – „Denk ich an Österreich“

von Frank Becker

Fritz Muliar – „Denk ich an Österreich“
 
Eine humorvoll-kritische Bilanz
 
 
Keiner konnte Witze, vor allem jüdische, so erzählen wie er, der den Wiener Schmäh ebenso brillant im Repertoire hatte wie das Jiddeln und das k.u.k. Böhmakeln. Fritz Muliar, geboren am 12.12.1919 in Wien, gehörte zur ersten Garde des österreichischen Kabaretts und des österreichischen Volksschauspiels – nachdem er am Wiener Konservatorium das Schauspiel- und Gesangstudium absolviert hatte.  
Ab Mitte der dreißiger Jahre – sein Debüt hatte er 1937 in Stella Kadmons Der Liebe Augustin - trat er als Kabarettist und Volksschauspieler auf. Engagements in Klagenfurt, wo er Sprecher bei Radio Klagenfurt war und in Graz folgten, später im Wiener Raimundtheater, im Burgtheater, im Theater in der Josefstadt u.v.a.m. Er spielte in rund 100 Film-Komödien und Heimatfilmen, Operettenadaptionen sowie Fernsehserien, machte Kabarett u.a. im Simpl vor und nach dem Krieg, zu dem er 1940 eingezogen wurde, im Igel, im Moulin Rouge. Fritz Muliar war der beste deutschsprachige „Schweijk“ – Zeugnis dafür ist die kongeniale Fernsehadaption des Schelmenromans von Jaroslav Hašek. Als Conférencier und Erzähler, Verfasser von Anekdoten- du Witz-Sammlungen machte er sich tzusätzlich einen Namen.
 
     Dieses Buch ist mehr als eine Autobiografie – es ist eine kritische Liebeserklärung an sein Land, von einem Publikumsliebling, dessen Leben mit der österreichischen Geschichte untrennbar verbunden war. Er erzählt von der Zeit des Nationalsozialismus, vom Verschwinden seiner eigentlichen Wiener Heimat, der gelebten Multikulturalität. Muliar spart nicht mit Kritik an Politikern, an der katholischen Kirche und nicht zuletzt an der Entwicklung des Theaters. Doch es ist eine Bilanz ohne Bitterkeit und Wehleidigkeit, sie ist vielmehr geprägt von Muliars scharfem Blick. Daß Muliar 1941 wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und schließlich zu fünf Jahren Haft begnadigt wurde, muß prägend auf die Welt- und Lebenssicht des humorvoll kritischen Philanthropen, Kriegs- und Nazi-Gegners gewirkt haben.
 
Fritz Muliar starb nach Fertigstellung seiner Autobiografie überraschend am 4. Mai 2009 an Herzversagen. Sie ist sein Vermächtnis. 2009 erstmals im Residenz Verlag erschienen, erlebt das Buch im kommenden April seine um Abbildungen erweiterte dritte Auflage: Erscheinungsdatum 9.4.2019. Schon mal vormerken. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
Fritz Muliar – „Denk ich an Österreich“
Eine Bilanz
© 2009 (3. Auflage 2019) Residenz Verlag, 267 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit zahlreichen Abbildungen und Namensregister  -  ISBN: 9783701731428
22,- €
Weitere Informationen: www.residenzverlag.com