Man tut sich unendlich schwer mit dem Ganzen

„Glück ist was für Weicheier“ von Anca Miruna Lazarescu

von Renate Wagner

Glück ist was für Weicheier
(Deutschland 2018)

Regie: Anca Miruna Lazarescu
Mit: Martin Wuttke, Ella Frey, Emilia Bernsdorf, Sophie Rois u.a.
 
Regisseurin Anca Miruna Lazarescu, geborene Rumänin, Wahl-Münchnerin, eröffnete mit ihrem Film „Glück ist was für Weicheier“ die letzten Hofer Filmtage und erhielt besonders gute Kritiken. Übereinstimmend wurde allerdings fest gestellt, dass man sich auf diesen Film „einlassen“ müßte. Wenn man es damit schwer hat, dann ist diese Familiengeschichte allerdings mehr als mühsam.
Sie haben es aber auch sehr schlecht getroffen, Papa Stefan Gabriel, Witwer, und seine beiden Töchter: Die Ältere, die 15jährige Sabrina, leidet an einer so schweren Lungenkrankheit, daß das letale Ende unvermeidbar scheint. Die Jüngere, die 12jährige Jessica, redet entweder mit sich selbst oder hört Stimmen, ist auf Zahlen und abergläubische Handlungen fixiert und kann kaum noch als normal eingestuft werden. Der Papa, von Brotberuf Bademeister, wohl auch nicht. Denn der plötzliche Tod seiner Gattin vor einigen Jahren hat ihn so aus der Bahn geworfen, daß er jetzt als Sterbeberater tätig ist. Was sich aber als nicht so erhebend herausstellt, wie er es sich vorgestellt hat…So weit die Exposition.
 
Die zentrale Gestalt der Geschichte ist Jessica, optisch das, was man auf Englisch „stout“ nennt und was so schwer zu übersetzen ist, ein kleiner androgyner Panzer, der durchs Leben stapft und logischerweise vor Mitgefühl für die sterbende Schwester zerrissen wird. Ihr Versuch, eine esoterische Lösung für deren Todesurteil zu finden (im Mittelalter glaubte man, man könne durch Beischlaf etwas von einem Menschen zum anderen übertragen), ist auf der Suche nach einem Sexpartner für Sabrina stellenweise komisch, später nicht, wenn die Schwester dann gerade daran stirbt.
Sterben im Kino hat Tradition, es gibt eine lange Reihe von Filmen über Todgeweihte, zwischen forsch-tapfer und rührselige sentimental. Was die Regisseurin hier genau wollte, wird nicht klar – schwer zu ertragen, wenn ein Vater seiner sterbenden Tochter sagt: Hab keine Angst, jedermann stirbt, das ist nicht so schlimm…?
Martin Wuttke ist sicher für Freunde hoher Schauspielkunst ein Grund, sich diesen Film anzusehen. Er kommt ganz anders daher als gewohnt – nicht als der genial-virtuose Theaterstar, als den wir ihn kennen, auch nicht als der neurotische „Tatort“-Kommissar. Aber für Spinner ist er immer geeignet, und er irrlichtert über die Leinwand als dieser seltsame Mann, der vom Sterbebegleiten so enttäuscht ist, weil die Menschen gar nicht nobel und edel abtreten…
 
In einer irrwitzig komischen Szene ist er übrigens mit Sophie Rois zusammen, die über den Tisch mit dem Abendessen klettert und einen Verführungsversuch startet. Aber das war bestenfalls ein Drehtag, eine so geniale Schauspielerin und keine paar Filmminuten!
Die 14-Jährige Ella Frey als Jessica versucht mit einem Schicksal zurecht zu kommen, das man niemandem wünschen will, und hat weit mehr Möglichkeiten, dem Zuschauer Gänsehaut zu bereiten als die sterbende Sabrina (Emilia Bernsdorf), die ja doch meist nur nach Luft ringen muß.
Man weiß nie, wo dieser Film auf dem schmalen Grat zwischen Tragik und Satire abstürzt – und auf welche Seite. Die Geschichte von Anca Miruna Lazarescu ist so borderline wie die Gestalten, die sie schildert. Dabei hätte der Film nur die eine Chance gehabt, mit seinen „Verrückten“ so ernsthaft umzugehen wie möglich. So, wie er stilistisch herumschwankt, tut man sich unendlich schwer mit dem Ganzen.
 
 
Renate Wagner