„Davon glaube ich kein Wort!“

Max Delbrück in der Anekdote (4)

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Max Delbrück in der Anekdote (4)

 Von Ernst Peter Fischer

Faust in Kopenhagen
 
Im Jahre 1932 feierte die europäische Welt den 100sten Todestag von Goethe. Als sich die Physiker um Ostern zu ihrer Frühjahrstagung in Kopenhagen trafen, führten sie am Ende der Konferenz ein Stück auf, das sie „Faust – Eine Historie“ nannten und mit dem Goethes Drama parodiert wurde. Zwar wird in der Fassung, die in dem Buch „Der Kopenhagener Geist in der Physik“ zu finden ist, kein Autor der Faustparodie genannt, aber nach Auskünften von Carl Friedrich von Weizsäcker kann man Max Delbrück als den eigentlicher Urheber des im April 1932 in Kopenhagen aufgeführten Stücks betrachten. Delbrück selbst tritt mittendrin als „Conferencier“ auf, der dem Publikum zunächst die klassische Walpurgisnacht ankündigt, bei der allerdings keine Verbindung mit den Zuschauern (Beobachtern) zustande kommt – wie es sich in der klassischen Physik gehört –, weshalb auch nichts passiert. Faust schlägt nun vor, „die klassische Walpurgisnacht durch Wirkung des Publikums auf dieselbe zu entfernen“ und „zur quantentheoretischen Walpurgisnacht überzugehen.“ Dies wird akzeptiert und das Spiel geht weiter, das mit der „Apotheose des wahren Neutrons“ endet, also dem physikalischen Teilchen, das 1932 entdeckt worden ist und die Kernphysik damals vor völlig neue Aufgaben stellte.
                Übrigens – die neue Physik mit den Quantensprüngen ist von so jungen Physiker entworfen worden – fast alle waren jünger als 30 Jahre, als ihre Ideen sprudelten –, daß manchmal von einer „Kinderphysik“ die Rede war. Und so heißt es zum Ende der Faustparodie auch:
 
                „Gewiß! Das Alter ist ein kaltes Fieber,
                Das jeden Physiker bedroht!
                Hat einer dreißig Jahr vorüber,
                So ist er schon so gut wie tot.“
 
                Am besten wär´s, Euch zeitig totzuschlagen.
                Der Pauli hat hier weiter nichts zu sagen.“
 
 
Gott und der Teufel
 
Wolfgang Pauli galt jedenfalls als Diabolus oder Mephisto seiner Wissenschaft, der zwar nicht mit den Menschen trickste, der aber nur selten sofort glaubte oder akzeptierte, was man ihm sagte und der auch mit Gott selbst gestritten hätte, falls es zu einem Zusammentreffen der beiden gekommen wäre. Einer von den Witzen, die über Pauli im Umlauf waren, erzählt von seinem Eintreffen am Himmelstor – nach seinem Ableben –, bei dem der Herr ihn fragt, ob er einen Wunsch habe. „Natürlich“, antwortet Pauli, „ich möchte endlich den anomalen Zeeman Effekt verstehen“ (bei dem es um den Einfluß von Magnetfeldern auf das Licht geht, das Atome aussenden). Gott läßt rasch eine Tafel herbeibringen, notiert auf mit dicken Kreidestrichen einige Formeln, blickt dann zu Pauli und beginnt mit seinen Erläuterungen. Doch kaum hat der liebe Gott damit angefangen, wird er scharf unterbrochen. „Das geht so nicht“, kritisiert und beschimpft Pauli den hohen Herrn an der Tafel, „damit kommt man nicht weiter, das habe ich alles schon selbst so probiert. Das geht so nicht. Hör auf damit.“
 
 
 
© Ernst Peter Fischer
Aus: „Davon glaube ich kein Wort!“
Anekdoten und Geschichten aus der Welt der Wissenschaft