Eine wirre, ja dumme Geschichte

„Der Gast“ von Houchang Allahyari

von Renate Wagner

Der Gast
(Österreich 2019)

Regie: Houchang Allahyari
Mit: Gregor Bloeb, Karina Sarkissova, Erni Mangold, Mehmet Sözer, Doina Weber, Michael Haslik, Jennifer Grim u.a.
 
Houchang Allahyari ist ein fester Bestandteil der österreichischen Filmlandschaft. In der letzten Zeit hat er vor allem Dokumentarisches gezeigt – seine Eindrücke von einer Reise in seine ehemalige Heimat Iran, ein Porträt seiner verstorbenen Ex-Schwägerin Ute Bock. Nun gibt es wieder einen Spielfilm, und einen weidlich seltsamen dazu. Sehr auf „künstlerisch“ gepolt, in Schwarzweiß, vieles verschwimmend, absichtlich unscharf in Handlung und Machart. Mit dem Effekt, daß man am Ende alles andere als überzeugt ist von dem, was man in „Der Gast“ gesehen hat.
 
Der ursprüngliche Arbeitstitel lautete „Die Villa“, und der Luxus-Wohnbau der namentlich nicht genannten, sehr großbürgerlichen Familie ist ausführlich zu sehen. Der Hausherr (Gregor Bloéb, vielschichtiger als sonst) wird als „Herr Staatssekretär“ angesprochen, ist ein hoher Politiker mit entsprechender Verhaltensglätte, der allerdings, wie man bald merkt, zwei wunde Punkte hat – seinen gelähmten Sohn (Empathie) und den Ausländer (der schwule Bedürfnisse in ihm weckt).
Die Hausfrau (Karina Sarkissova, offenbar doch nicht nur Adabei-Reizname, sondern auch darstellerisch einsetzbar) ist eine ehemalige Primaballerina mit offenbar schweren nervlichen Störungen, die sich auch durch körperliche Lähmungen ausdrücken - Regisseur Allahyari selbst mimt den freundlichen Arzt, der versucht, ihren Beschwerden auf den Grund zu kommen. In irgendwelchen Traumszenen oder Rückblicken darf sie auch zu dem Adagio aus Mahlers Fünfter tanzen, aber diese Assoziation mit Viscontis „Tod in Venedig“ scheint in diesem Zusammenhang – denkt man an die qualitativen Welten, die diese Filme trennen – geradezu obszön.
Die Tochter (Roya Anahita Mousavi) ist ein tief verwirrtes Wesen, das die Düsternis der Familie damit erklärt, daß ihr Bruder (Michael Haslik im Rollstuhl) seit einem Unfall völlig gelähmt ist. Er hat eine Pflegerin, die an schwerem religiösen Wahn und unterdrückten sexuellen Bedürfnissen leidet- Beim Beten einen Orgasmus zu bekommen, das muß man erst einmal spielen, und Doina Weber kann das. Nur das Hausmädchen (Jennifer Grim) wirkt vergleichsweise unbeschwert.
Damit das Ganze noch eine Schicht an Bösartigkeit zulegen kann, kommt die Mutter des Hausherrn an, um mit der Familie zu leben – Erni Mangold ist ideal, wenn es darum geht, Atmosphäre zu vergiften. Sie haßt die Schwiegertochter, und sie haßt auf Anhieb den Fremden, der da kommt.
 
Um das Geschehen künstlich mythisch, mystisch und geheimnisvoll zu machen, gibt Allahyari keinen Hinweis, wer der junge Mann (Mehmet Sözer) ist, dessen Aussehen ihn im Nahen Osten verankert. Er ist plötzlich da, spricht nicht, arbeitet im Garten, ißt in der Küche, nimmt sich des Behinderten an. Wieso die Hausfrau, die seit einem Jahr keinen sexuellen Kontakt mehr mit ihrem Gatten hatte, plötzlich schwanger ist (Karina Sarkissova zeigt nicht nur nackten Busen, sondern dann auch Schwangerschaftsbauch), wird nicht erklärt, aber die unbefleckte Empfängnis war es wohl nicht. Die Anziehung, die der schweigende „Gast“ auf alle (außer die alte Mutter des Hausherrn) ausübt, ist unbestritten.
Tja, ohne daß ein Krimi daraus würde, läßt Allahyari einen Mord geschehen – die Tochter ist so eifersüchtig, daß der „Gast“ das Küchenmädchen vögelt, daß sie diese umbringt (!!!). Oma sorgt dafür, daß die Leiche verschwindet. Der Hausherr sorgt dafür, daß der Fremde (von Oma bei der Polizei als „verdächtig“ angezeigt) wieder aus Polizeigewahrsein herauskommt. Eine Wohltätigkeits-Party wird gefeiert („Sollten sie das Geld nicht lieber direkt den Flüchtlingen geben?“ wird umweglos gefragt – so affektiert er sich gibt, so ist der Film doch nicht für wahre Feinheiten zu haben), der Gast ist dabei, die Tochter dreht durch, steht auf dem Dach… und man hat sich längst aus dem Drehbuch ausgeklinkt, für das u.a. der Sohn des Regisseurs, Tom Darius Allahyari, verantwortlich zeichnet. Diese Geschichte wird weit zu dumm, um ihre überhöhte Aussage – der Fremde als Katalysator, der alles verändert – vernünftig anzubringen.
 
Tja, bevor der Hausherr auf Omas Drängen dem Fremden ein Messer in den Bauch stößt, küßt er ihn noch begierig auf den Mund. Aber, keine Angst, unser Titelheld ist offenbar nicht tot. Das Schlußbild zeigt, wie er irgendwo in Afrika an eine Türe klopft. Man kann nur warnen: Wird ihm aufgetan, bringt er nur Trouble mit sich! Die Metapher von „Licht und Wärme“, die er bedeuten soll (wie Allahyari in einem Interview sagte), findet man in dieser wirren Geschichte kaum.
 
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Renate Wagner