Bewegungsspache für einen Romanklassiker

Die Delattre Dance Company mit Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“

von Daniel Diekhans

Dorian Gray - Bild © Klaus Wegele

Bewegungsspache für einen Romanklassiker
 
Die Delattre Dance Company gastierte mit
„Bildnis des Dorian Gray“ im Teo Otto Theater
 
Choreographie, Kostüme und Lichtdesign: Stéphen Delattre - Bühnenbild: Martin Opelt - Musik: Davidson Jaconello - Projektion: René Zensen
Solisten: Paul Cartier (Dorian Gray) - Thibaut Nury (Basil Hallward) - Angel Blanco (Lord Henry Wotton) - Lara Lioi (Sibyl Vane) - Alekseij Canepa (James Vane)
Ensemble: Mélanie Andre, Giovanni Fumarola, Irene La Monaca, Paloma Lassere, Conor Lee-Bourke, Sewon Ahn, Pauline Richard
 
Tänzer bringen Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“ spektakulär auf die Bühne
 
Bis heute inspiriert Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“ Künstler aller Sparten zu Adaptionen und Interpretationen. Schließlich geht es im Roman von 1890 um zeitlos gültige Themen – das Altern und den Wunsch nach ewiger Jugend. Für die märchenhafte Geschichte des jungen Mannes, dessen gemaltes Porträt an seiner Stelle alt und grau wird, hat der französische Choreograf Stéphen Delattre eine spektakuläre Bewegungssprache gefunden. So wie der extravagante Dorian die Moral der englischen Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts links liegen läßt, so frei gehen Delattres Tänzer mit Ballett-Konventionen um.
 
Dabei sah man beim Gastspiel in Remscheid durchaus klassische Figuren. Gar nicht zu reden vom formvollendeten Spitzentanz. Doch was als Standard-Solo beginnt, kann sich in akrobatischen bis ekstatischen Bewegungen fortsetzen. Im Duett drehen und winden sich die Körper ineinander, als wollten sie auf der Stelle miteinander verschmelzen. Diese kunstvolle Wildheit ist eine Spezialität der Dandys Basil Hallward (Thibaut Nury) und Lord Henry Wotton (Angel Blanco). Buchstäblich in ihre Fänge gerät der anfangs schüchtern auftretende Dorian (Paul Cartier). Der Maler Basil, angezogen von Dorians Schönheit, will ihn unbedingt malen, während der skrupellose Lord den jungen Mann nach seinem eigenen Vorbild formen will.
Was für ein toller Tänzer Dorian-Darsteller Cartier tatsächlich ist, zeigt er im Pas de Deux mit Partnerin Lara Lioi. Doch als sich Dorians Liebe in Haß verkehrt, ist es auch hier vorbei mit harmonischen Tanzschritten. Mit Applaus belohnt wurde auch die Solo-Partie von Alekseij Canepa, der mit seinen fließenden Bewegungsfolgen wie ein Schlangenmensch wirkt.
 
Mit dem Auftritt des Ensembles als „Schwarze Schatten“ ist die Choreografie endgültig in der Gegenwart angekommen. Maskiert und in glänzendschwarzen Overalls erinnern die Tänzer wahlweise an menschengroße Insekten oder an die Monster aus den „Alien“-Filmen. Sie zerren an Paul Cartier und schließen einen Kreis um ihn, aus dem er nicht mehr entkommen kann – ein schlüssiges Bild für Dorians Gewissensqualen. Dazu zirpen und knacken düstere Synthesizer-Klänge, und dank der Videoprojektionen von René Zensen hat man freien Blick auf Dorians Porträt. Das einst junge, blühende Gesicht hat sich in die abstoßende Fratze eines Greises verwandelt.
 
Weitere Informationen unter www.delattredance.com
 
Daniel Diekhans