Reif für den Urschrei
„Der Neurosenkavalier“
Komödie mit Karin Dor und Claus Biederstaedt
Von Frank Becker
Sie hat beim Film Karriere gemacht, im „Rosen-Resli“ als Statistin und nach Karl May- und Edgar Wallace-Verfilmungen internationale Erfolge neben Sean Connery in „Man lebt nur zweimal“ und in Alfred Hitchcocks „Topaz“ neben Philippe Noiret gefeiert. Seit den 70er Jahren lebt sie für die Bühne: Karin Dor. Er gehört zu den beliebtesten deutschen Schauspielern (Bundesfilmpreis in Gold) und hat in dramatischen wie heiteren Rollen die Herzen gewonnen, unvergeßlich „Drei Männer im Schnee“ und „Urlaub auf Ehrenwort“. Auch er hat sich schon lange als Darsteller und Regisseur dem Theater zugewandt: Claus Biederstaedt.
Wenn zwei solche Legenden gemeinsam auf der Bühne stehen, kann nichts schief gehen, zumal die Regie von „Der Neurosen-Kavalier“, der am Sonntag im Remscheider Teo Otto Theater ein grandioser Erfolg war, in Biederstaedts Händen lag. Weiterer Garant war Gunther Beth, der als Co-Autor in seinem Erfolgsstück die Rolle des linkisch verliebten Dr. de Witt übernommen hatte.
Eine Oase seelischen Ausgleichs ist die psychotherapeutische Praxis (mit Jugendstildekor und Foto des Kollegen Freud) von Prof. Dr. Engel, der im Ausland weilt. Hierhin gerät Kaufhausdieb Felix Bollmann (Biederstaedt) auf seiner Flucht, wird von der patenten Assistentin Frl. Engel (Susanne Huber) für die angekündigte Vertretung des Doktors gehalten und in dessen Rolle gedrängt. Mit dem Auftauchen des echten Vertreters (Beth) sind Turbulenzen vorprogrammiert.
Elegant laviert sich der Dieb durch Fachtermini wie Anamnese und Phänotypus und ist schon bei der ersten Patientin, der attraktiven Autorin Claudia Carrera (Angèlique Duvier) mit dem Irrtum versöhnt. Die nämlich hat einen ansehnlichen Bikini-Komplex. Schon ein wenig komplizierter ist der Fall des verklemmten Finanzbeamten Jürgen Appelhans (Philippe Roussel), der sich für Elvis hält. Doch auch ihn therapiert der gewitzte Schwindler, was dem begeisterten Publikum eine tolle Presley-Show beschert. Grand Dame Karin Dor als Kleptomanin Sybille Bast stiehlt dem „Kollegen“ schließlich das Herz und alles wird gut.
Die Hiebe gegen die Pillentherapie „...diese verfluchten Psychopharmaka“ sitzen. Zwei Paare finden sich, alle Patienten werden als geheilt entlassen. Mit anhaltendem Jubel und vielen Vorhängen feierte das Remscheider Publikum diese trotz mitunter fahrlässigem Umgang mit der Disziplin Psychotherapie intelligente Komödie mit Tiefgang, das sympathische Spiel mit sympathischen Charakteren. Vor allem aber feierte es Claus Biederstaedt, den charmanten Vertreter eines gehobenen Boulevards, der heute wie vor 50 Jahren Sympathieträger ohne Neurosen ist.
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