Alles Kummer, oder was?

„Love after Love“ von Russell Harbaugh

von Renate Wagner

Love after Love
(USA 2017)

Drehbuch und Regie: Russell Harbaugh
Mit: Andie MacDowell, Chris O’Dowd, James Adomian, Matt Salinger u.a.
 
Familien sind schwierige Strukturen mit grenzenlosen Variationen der möglichen Problematik. Man weiß es aus dem Leben, und darum sind sie für Bücher und Filme auch so geeignet. In „Love after Love“ von Regisseur Russell Harbaugh geht es um die Umschichtungen nach dem Tod des Familienoberhaupts. Sowohl die Witwe wie die beiden schon sehr erwachsenen Söhne geraten da gewaltig ins Straucheln.
Man hat Andie MacDowell, jetzt Anfang 60 und noch immer ungemein reizvoll, lange nicht mehr in einer großen Rolle gesehen – die hohe Zeit der auf eigenartige Weise attraktiven Brünetten waren die Neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, von „Green Card“ über „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ bis „Bad Girls“ und vieles mehr. Hier hat sie ihren Mann nun mit Liebe und Anteilnahme in den Tod begleitet (das gibt ein paar schonungslose Szenen), ist aber zu jung, um sich nur der Trauer hinzugeben. Daß es relativ bald einen (gar nicht jungen, im Alter passenden) neuen Mann (Matt Salinger, sehr nobel) an ihrer Seite gibt, macht diesen Film nicht – wie man es so oft erlebt hat – sonnig und hoffnungsvoll. Vielmehr geht es darum, wie schwer dies für die Söhne zu ertragen ist. Was hier bei einem Familiendinner an schmerzhaftem Mobbing passiert, erzeugt beim Betrachter Gänsehaut – wie viele Möglichkeiten es doch gibt, Menschen wissen zu lassen, daß man sie nicht mag.
 
Neben Andie MacDowell als Mama Suzanne steht der älteste Sohn Nicholas (Chris O’Dowd) im Mittelpunkt, zwischen zwei Bindungen schwankend – hier Rebecca (Juliet Rylance), dort die junge Emilie (Dree Hemingway), und nichts paßt wirklich. Indem Mutter und Sohn die Beziehungen des anderen jeweils mißbilligen, steigt die ungute familiäre Spannung, die der Regisseur in vielen kleinen Szenen ausbreitet.
Nicht, daß der jüngere Sohn Chris (James Adomian) es nicht mindestens genau so schwer hätte. Er kann mit dem Tod des Vaters so wenig umgehen wie mit der Tatsache, daß die anderen es sehr wohl können. Er wirf es ihnen bitter vor – was noch jede Menge Düsternis in dieses schreckliche Gespinst der dunklen familiären Gefühle einbringt.
Die hier ausgesponnenen Familienquälereien haben es in sich, dauernd wirft irgendjemand dem anderen etwas vor. Am Ende gibt es wieder ein Begräbnis, diesmal von der Großmutter, und der Zuschauer wird mit dem Blick in den Krematoriumsofen entlassen. Man tut sich schwer mit diesem Film, mit diesen unglücklichen Menschen, die man nur bedauern kann, wie aussichtslos sie in ihren Beziehungen und Gefühlen gefangen scheinen. Alles Kummer, oder was? Immerhin, daß dergleichen nicht künstlich aus der Luft gegriffen, sondern direkt aus dem Leben geholt ist – das spürt man schon.
 
 
Renate Wagner